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Andi geht zu Elron

Wo der Stuttgarter Oberbürgermeister "Dr." Wolfgang "Weichbirne" Schuster wie auch sonst überall jämmerlichst versagt, muß jemand Fähigeres eingreifen. Wie ein saftiger Kohlkopf. Oder der nichtswürdige Autor und seine vortrefflichen Freunde.

Ein saftiger Kohlkopf Dr. Wolfgang Schuster

Wem würdest Du eher Deine Stadt anvertrauen?

Dienstag, 10. September 2002

Es ist ein milder Spätsommernachmittag, als ich gedankenverloren über unseren wunderschönen, von der - seit dem bedauerlichen Abtritt des unvergleichlichen Manfred Rommel komplett unfähigen - Stadtverwaltung aber sträflich vernachlässigten Schloßplatz schlendere. Meine frei flanierende Muße wird jedoch jäh von einer schreiend gelben Zeltkonstruktion gestört, die sich auf dem Platz ausbreitet wie eine giftige Eiterbeule. Um den Pickel krauchen Gestalten, die ganz wie Menschen aussehen, nur ohne Leben im Blick und mit totenstarrem Grinsen. Das müssen Scientologen sein!

Es scheint die Sonne, es duften die letzten Blumen, es schweift der Geist, beschließt, ein wenig Spaß zu haben und steuert daher geradenwegs ins gelbe Zelt, wo die ehrenamtlichen "Geistlichen" der Kirche Massagen anbieten, ohne dafür ausgebildet zu sein, ganz im Geiste ihres verstorbenen, beeindruckend trinkfesten Gründers, des größten Hochstaplers aller Zeiten, Lafayette Ronald Hubbard. Vielleicht sollte ich auch anfangen, kostenlose Dienstleistungen anzubieten, die unentgeltlichen Massagen scheinen bei Stuttgarts aus Tradition krankhaft geizigen Bürgern gut anzukommen, überlege ich, Lobotomien vielleicht, das bißchen Herumgeschnippele kann doch nicht so schwer sein, da reißt mich auch schon ein kleiner, dicker und stark schwitzender "Geistlicher", Typ Willi aus Biene Maja, aus meinen Gedanken. Ich beiße sofort zu (metaphorisch):

Maja und Willi
OT VIII?

"Gut, daß Sie da sind! Können Sie mir helfen? Ich hab' da was ganz Schlimmes gehört: der Xenu soll ja aus seinem Gefängnis ausgebrochen sein..."

Man muß wissen, daß die Scientologen versuchen, zusammengeklumpte außerirdische Seelen aus den Menschen herauszupulen. Diese Seelen sollen sich vor 75 Millionen Jahren hier auf der Erde, die damals noch Teegeeack hieß, zu Klumpen verbunden haben, als der böse außerirdische Tyrann Xenu ihre Besitzer in einem gigantischen Holocaust durch gezielte Vulkaneruptionen töten ließ. Xenu konnte schließlich zwar gefangen und unter einem Berg eingesperrt werden, wo er noch heute leben soll, aber Scientologen zahlen bis zu 400.000 US-Dollar, um alle außerirdischen Seelen, die sie Thetane nennen, aus ihren Körpern zu entfernen, also sind sie verständlicherweise nicht gut auf den Außerirdischen zu sprechen und vermeiden es oft sogar, seinen Namen zu nennen. Aber nicht immer.

"Wer ist Xenu?"

Will Willi mich verwirren? Ich will gerade ansetzen, ihm seinen eigenen Schöpfungsmythos genüßlich in blumigen Worten nachzuerzählen, da verschwindet er auch schon eilig und läßt mich mit hunderten Taschenbuchausgaben von "Dianetics" und anderen epochalen Werken aus der schriftdiarrhöischen Phase des Commodore allein, die ich kostenlos gegen eine Zwangsspende von zehn Euro erwerben kann. Für diese Art von (Sciento-)Logik scheint mein Hirn zu verkrampft zu sein, und ich überlege, mich den zart massierenden Fingern einer der attraktiveren Sektenbienen anzuvertrauen, da spricht mich auch schon das nächste "Kirchen"mitglied an. Es ist ein Er, befindet sich dem glasäugigen Anschein nach im finalen Stadium eines kompletten, sekteninduzierten Realitätsverlustes und sieht aus wie Colonel Cutter aus dem Film Antz, nur noch viel weniger sympathisch.

Colonel Cutter
Offizier der Sea Org?

Cutter bietet mir an, mir die an der langen Zeltwand hängenden Schautafeln zu erläutern. Ich sage wißbegierig zu, und schon stehen wir vor einem lebensgroßen Porträt des Pillenfressers L. Ron in seiner ganzen, feisten Pracht. Was für ein großartiges Bild! Was für ein großartiger Mann! Was für eine großartige Steilvorlage!

Ich: "L. Ron war ja ein Seefahrer, Physiker, Chemiker, Biologe, Kriegsheld..." - "Ja, er war erblindet und hat sich selbst geheilt."

Die nächsten Tafeln ziehen wie in einem Nebel an mir vorbei, weil ich halb würgend, halb erstickend versuche, nicht zu lachen. Erst vor einem Diagramm, auf dem ein in einem Unfall halb zermatschter Mensch allein durch scientologisches Handauflegen ganz geheilt wird, bekomme ich wieder Luft.

Ich: "Da kann man ja dann Krankheiten mit heilen, oder? Erkältungen, Lungenentzündungen..." (man muß auch wissen, daß Xenu den Seelen seiner Opfer falsche Erinnerungen an Gott, Jesus und den Teufel implantiert haben soll und daß an einer Lungenentzündung sterben soll, wer hinter dieses Geheimnis kommt. Hust, hust...) - "Ja, ich hatte früher alle zwei Jahre Schnupfen und jetzt schon zwanzig Jahre nicht."

Stimmt, in seinen Körper traut sich bestimmt kein Schnupfenerreger mehr, überlege ich, der RTC-Virus macht ihn sofort platt, da sind wir auch schon am Ende unserer Tour, und Cutter fragt mich mit wahrhaft scientologischer Menschenkenntnis, ob ich Sportler wäre.

"Nein, ich studiere Informatik." - "Ja, das Gehirn ist ja ein biologischer Computer."

Von diesem dadaistischen Wortwechsel springt der Colonel ansatzlos zur Frage, ob ich eine der auf den Tafeln dargestellten Situationen aus meinem eigenen Leben kennen würde. Ich verneine, beichte ihm aber, daß ich ein anderes Problem hätte, ich hätte gehört, daß Xenu aus seinem Gefängnis ausgebrochen sei, ich wäre besorgt, und -

"Wer ist Xenu?"

Cutter will es so! Ich erzähle ihm ausführlich von der galaktischen Konföderation, Teegeeack, Thetanen und der Implantierung. Langsam breitet sich, herrlich anzusehen, dunkles Verständnis in seinem zerfurchten Gesicht aus, er schnappt nach Luft, und schließlich bringt er nur noch ein gepreßtes "gut" zwischen völlig verzerrten Lippen hervor. Ich gehe, und er ruft mir, endgültig geschlagen, hinterher, ich solle "mal wieder vorbeikommen". Totaler Triumph! Ich tanze über die Königstraße.


Mittwoch, 11. September 2002

Der US-Präsident George W. Bush spricht in einem schönen hellgrauen Anzug auf Ellis Island über amerikanische Helden, die ein entführtes Flugzeug ein Jahr zuvor fast ganz ohne die Hilfe von Jagdbombern und Luft-Luft-Raketen zum Absturz brachten. In seinen dunklen, gefühlvollen Augen unter den dicken Brauen steigen die Tränen unaufhaltsam auf, und auch ich muß wie ein Schloßhund heulen. Man muß Zivilcourage zeigen, ganz gleich, ob es darum geht, die Nation zu retten oder nur das größte, spießigste Dorf Deutschlands! Noch diesen Freitag werden die Scientologen ihr Zelt auf dem Marktplatz, direkt vor unserem Rathaus und völlig legal aufstellen, und wer wird sie dabei stören, wenn nicht meine Freunde und ich? Ich kann Kerstin, Gregor und Stefan zum Mitmachen bewegen - im Esoterikladen lernt man wirklich Freunde fürs Leben kennen, Gregor kann toll Bachblütentee kochen -, stelle einige informative Flugblätter her, Kerstin legt uns ein Tarot-Orakel, und schließlich fassen wir uns an den Händen und bringen unsere Herzchakren in vollkommenen Gleichklang, wozu Stefan sanft die Sitar schlägt. Diesen Scharlatanen mit ihrer spinnerten Pseudoreligion werden wir's schon zeigen!

George W. Bush
US-Präsident Bush auf Ellis Island


Freitag, 13. September 2002

Das Wetter ist immer noch sonnig, aber schon etwas frisch, als ich eine ältliche Kamera und die Flugblätter in meinen guten alten Denimrucksack packe und mein liebstes hellblaues Hemd anziehe. Besonders zum Demonstrieren sollte man gut angezogen sein, aber das Hemd wölbt sich doch etwas unschön über meinem Bauch. Vielleicht sollte ich doch auf Colonel Cutter hören und mehr Sport treiben oder wenigstens einige scientologische Kurse belegen, um meinen Bauch "wegzupostulieren", also mit Magie fortzuzaubern?

Der Schloßplatz in Stuttgart
Stuttgart kann auch schön sein!

Ein kleiner Dämpfer kommt auf dem Amt für öffentliche Unordnung - wenn wir Flugblätter ohne vorherige Genehmigung verteilen, ohne an einer politischen Demonstration teilzunehmen, nehmen uns die großen grünen Männchen in ihre schreckliche Welt mit. Da ich seit geraumer Zeit unerklärlicherweise die Polizei anziehe wie L. Ron selig - einmal hatte ich einen Ampelschalter schwungvoll mit dem Fuß betätigt, worauf sofort ein grüner Van aus dem Nichts vor mir auftauchte, das Fenster heruntergekurbelt wurde und ich den guten Rat erhielt, das Kickboxen doch zuhause zu üben -, verzichte ich darauf, den Beamten sofort totzupostulieren und begebe mich stattdessen zum Marktplatz, auf dem auch meine Freunde bald eintreffen. Wir halten einen kurzen Kriegsrat, besorgen uns dann im Internetcafé der Uni noch mehr lustige Informationen über Elrons verschrobenen UFO-Kult - der große Universalgelehrte Hubbard bringt seinen folgsamen Schafböcken unter anderem glaubwürdige Ausreden bei, um ihre Ehefrauen täglich verprügeln zu können - und gehen schließlich zur Polizei, um uns verbleibende Möglichkeiten des Protests auszuloten. Ich versuche mich aus Furcht, verhaftet zu werden, möglichst unauffällig in einer Ecke aufzulösen, während die anderen erfahren, daß wir uns nicht einmal mit Straßenkreide artikulieren dürfen. Dann vielleicht mit einem kleinen, improvisierten Theaterstück? Ich will Xenu sein!

Xemu und Xema
Xemu und Xema (leicht verfremdet) beobachten uns

Zurück auf dem Marktplatz beschließen wir, unsere Botschaft mündlich zu verbreiten und die aus dem Zelt kommenden arglosen Bürger zu informieren. Wir haben kaum mit unserer Arbeit begonnen, da werden wir auch schon von zwei Spitzenagenten der Sekte - Xemu und Xema, er Leptosome, sie Pyknikerin - aus dreißig Zentimetern Entfernung unauffällig belauscht und später sogar fotografiert und sorgfältig zur ca. sechs Milliarden Menschen umfassenden Feindkartei der "Kirche" hinzugefügt. Daß man total paranoid ist, heißt nicht, daß SIE nicht hinter einem her sind!

Daß wir zur Stadtverwaltung oder zur Aspirinmafia, mindestens aber zur jüdischen Weltverschwörung gehören, davon sind auch die alsbald aus dem Nichts auftauchenden Hubbard-Cheerleader überzeugt, die uns umringen und keifend in sinnlose Gespräche zu verwickeln versuchen: Ob wir schon mal ein Buch über Scientology gelesen hätten? Wir ziehen Strohhalme, werfen ihnen Gregor vor und fahren fort, die unwissenden Stuttgarter aufzuklären. Stefan und ich machen uns einen bösen Spaß daraus, einen jungen Scientologen mit der Behauptung zu schrecken, wir studierten Psychiatrie und seien sehr an Elektroschocktherapie und Menschenexperimenten interessiert - der alte Schluckspecht und Frauenhasser L. Ron vermutete zeitlebens die Seelenklempner hinter allem Übel der Welt und vererbte diesen Irrglauben wie all seine anderen "Lehren" an seine willfährigen Jünger.

Gregor und Akte
Mutti guck, ich bin im Fernsehen!

Das Fernsehen ist da! Zwar nur in Gestalt eines Teams der Sat.1-Trashsendung "Akte", die vom berufsbetroffenen Krokodilstränenzerdrücker Ulrich Meyer moderiert wird, aber immerhin besser als nichts. Gregor kann den Fernsehmenschen kaum erklären, was wir hier tun, da einige besonders hartnäckige Sektenmitglieder immer noch in sein Ohr schnattern wie hungrige Enten, aber da wir uns vor unserer Aktion noch ausgiebig gegenseitig mit Bernsteinen massiert haben, bleiben wir ganz ruhig und leiten alle negativen Energien direkt in den unendlichen Kosmos. Bald sind auch die TV-Leute ganz glücklich und ziehen sich zufrieden in die Zentrale von "Akte" zurück, in der schließlich entschieden werden wird, daß der Beitrag nicht ausgestrahlt wird. Dabei war ich doch extra hinter der Kamera geblieben, weil mein Karma so schlimm aussah!

Um fünf Uhr nachmittags werfen auch Zwerge lange Schatten, und so sehen wir uns, von der vielen von den Bürgern sehr positiv aufgenommenen Informationsvermittlung schon etwas erschöpft, endlich dem bulligen Chef der Hubbard-Apologeten gegenüber, der immer wieder feixend zu uns herüberlinst, während er mit einigen Männern spricht, die - mit Trenchcoat, Aktenkoffer und stechendem Blick - ganz genauso aussehen, wie man sich als Zwölfjähriger Privatdetektive vorstellt: Geheimagenten der OSA! Ich knie mich nur kurz hin, um meine Beine etwas zu entlasten, da fragt der Chef schon, ob ich einen Stuhl brauche. Ich schlage ihm vor, doch einen zu postulieren, und er führt tatsächlich einen Finger an seine Schläfe und konzentriert sich, doch nichts passiert. Diese Leute nehmen ihre eigene "Religion" nicht ernst genug! Vielleicht sollten sie mal ein Buch über Scientology lesen...

Kerstin, Gregor, ich und Stefan (von links)
Gruppenfoto mit Außerirdischem

Langsam wird es Abend und wir sehr müde. Waren die Bernsteine vielleicht doch noch nicht wieder mit Pyramidenenergie aufgeladen? Wir bitten eine nette Frau, ein letztes Foto von uns zu schießen, das aufgrund der Unzulänglichkeiten meiner Kamera und meines altersschwachen Scanners hier wie die anderen Bilder leider nur in minderwertiger Qualität wiedergegeben werden kann, verabschieden uns winkend von Xemu, Xema, dem Chef und Colonel Cutter und gehen pfeifend dem Sonnenuntergang entgegen. Wo Sheriff Schuster mit seiner angeborenen kommunalpolitischen Ladehemmung nichts ausrichten konnte, mußten eben Daltons wie wir den Tag und die Stadt retten. Ach gehaßtes Stuttgart! O geliebtes Stuttgart! Kohlkopflose Stadt!

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