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Deutschland sucht den Superstar

Die neueste internationale Fernsehidee wird von Rammeln, Töten, Lallen in bewährter Weise, aber ausnahmsweise ohne Günther Jauch bis zum Dammriß in den wehrlosen Zuschauer penetriert. Moviebazaar hilft durch mentale Verhütung.

Auch ein jederzeit genüßlich wie ein sadistischer Rottweiler reißender Kritiker braucht ab und zu geistige Erholung vom rohen und blutigen Tagwerk und sucht sie folglich im geistlosen Fernsehen, gerne auch mit Musik. Musik und Fernsehen nun bietet RTL im Überfluß mit seiner neuen Sendung "Deutschland sucht den Superstar". Aber wo bleibt bei diesem Schmu die Erholung? Vielleicht läßt sie sich ja finden, wenn man Skalpell und Mikroskop zur Hand nimmt...

Die Show

Beißer

Wie schon in den früheren Popstar-Formaten machen die ersten Sendungen am meisten Spaß: wenn irrtümlich großgezogene Nachgeburten mit von Picasso gemalten Gesichtern und von Lüpertz gehauenen Körpern sich Lumpentücher überwerfen, deren Fehlfarben die Bildröhre zum Implodieren bringen, um sodann ein Lied zum Besten zu geben, bis beide Trommelfelle bluten, liegen der Zuschauer und die Jury am Boden, die übrigens, um nur zu viert 10.000 Kandidaten je 2 Minuten lang zu bewerten, 42 Tage lang von morgens bis abends gearbeitet haben müßte. Im berechtigten Vertrauen darauf aber, daß der gemeine RTL-Zuschauer nicht schneller bis zehntausend zählen kann als ein Granitfelsen, verschwieg man die anderen Jurys, um umso länger in den besten Sprüchen der prominenten Juroren und den schauerlichsten Darbietungen der absonderlichsten Kandidaten zu schwelgen. Man erinnere sich nur an den "völlig losgelöst"en Außerirdischen mit dem lachsfarbenen Björn-Steiger-Chic-Pullover und dem toten Flughörnchen statt Haaren auf dem Kopf, an das penetrant greinende, fünftklassige Tom-Jones-Imitat oder an die "Ameno"-Klapsenkandidatin, deren Kopfhörer sie, die Glückliche, davor bewahrte, sich je selbst zu hören.

Immer im Gedächtnis bleiben aber wird der Auftritt der oben abgebildeten Nummer 6353 mit dem Gesicht, der Statur und der Stimme des "Beißers" aus zwei alten James-Bond-Filmen: Zum hochlyrischen "Anton aus Tirol", mit der Sensibilität einer Dampfwalze intoniert, führte der grobmotorische Nachwuchsstar eine "Performance" vor, die an einen wildgewordenen, fehlprogrammierten Industrieroboter erinnerte. Hätte man von diesen ersten Sendungen auf den kollektiven Geisteszustand der Nation geschlossen, man hätte sich mit dem Herzen voran ins Schwert gestürzt.

Juliette

Doch auch im namenlosen Dunkel des massenhaften Untalents fanden sich einzelne Lichtblicke, die alsdann auf zehn heruntergefiltert und endlich vor ein Publikum verschafft wurden. Nun werden die angehenden musikalischen Melkkühe, von den Moderatoren belämmert und der Jury beschimpft, in einer Kulisse, die an die marode Fabrik am Ende von The Terminator erinnert, gegen einander und ein debiles, aber dafür umso rauschhafteres Publikum singen, bis nur noch einer oder eine von ihnen übrig ist, der oder die schließlich zum neuen Bundeskanzler ernannt wird. Beliebt würde dieser so auf jeden Fall sein, und sehr viel schlechter kann auch die Politik nicht mehr werden...

Die Moderatoren

Michelle Hunziker und Carsten Spengemann

Die professionellen Gutausseher Michelle Hunziker und Carsten Spengemann erledigen ihre Aufgabe, was zumindest Hunziker betrifft, recht apart, geschmackvoll und elegant. Sobald aber der unrasierte Soap-Lackel oder das moderierende Model ihre geschwungenen Münder öffnen, entweichen nur heiße Luft und Blasen wie aus den Ventilen einer überhitzten Dampfmaschine. Während diese aber einem nützlichen Zwecke dient, stehen Hunziker und Spengemann nur in der Kulisse, schnappen mit den Mäulern, stellen dumme Fragen und sammeln Staub. Auch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die reizbare Schöne dem tapsigen, grabbelnden Geck mit ihren Krallen durch sein quadratisches Gesicht fährt. Drücken wir die Daumen!

Die Jury

Thomas M. Stein Gäbe es den mächtigen Musikmanager Thomas M. Stein nicht, man müßte ihn erfinden: der gebürtige Stuttgarter sagt Flaschen ohne Ausnahme knallhart und ohne politisch korrektes eigentlich-haben-wir-uns-aber-alle-ganz-doll-lieb-Getue, warum sie Flaschen sind und immer bleiben werden, findet aber auch warme Worte des Lobes für verdient lobenswerte Leistungen. Nur weiter so!
Dieter Bohlen Dieter Bohlen, der tatsächlich erfolgreichste deutsche Musiker seit Beethovens, berüchtigste Don Juan seit Casanovas und erfolgreichste Buchautor seit Gottes Tagen, wird bei hübschen Männern wie Frauen gleichermaßen feucht, hört Rhythmen und Stimmen, wo keine sind, und sieht Veronas Schuhe, wo doch nur Naddels sind. Wahrscheinlich ist er ja nur zu oft auf den Wasserkopf gefallen, aber unterhaltsam ist er trotzdem.
Thomas Bug Der eher träge Radiomoderator Thomas Bug traut sich meist nicht, untalentierten Hampelmännchen die bittere, erlösende Wahrheit zu sagen, obwohl er ab und zu beweist, daß er es kann, wenn er nur will. Mehr Mut hinter der hohen Primatenstirn sammeln!
Shona Fraser Die englische Moderatorin Shona Fraser verwechselt in der unverwüstlichen Tradition ihres Heimatlandes einen Mop mit einer Frisur, einen umgewehten Lattenzaun mit einem Gebiß und einen Silber- mit einem Schlafzimmerblick. Dafür widersteht sie aber auch im Gegensatz zu Dieter Bohlen gekonnt der pseudo-erotischen Ausstrahlung der "attraktiven" männlichen Kandidaten und bleibt so meist erfrischend neutral, wenngleich etwas zahm.

Die Kandidaten

Alexander Der 19-jährige Berufsschüler, Bravo-Mädchenschwarm und verschollene Schumacher-Bruder Alexander mit den Schweinsäuglein und dem Bürstenschnitt macht halbwegs glaubhaft den Robbie, bleibt aber sonst so ausdrucksstark wie eine weiße Leinwand, was ihn zum ideal formbaren Klonstar macht. Demnächst auch in Ihrem Plattenladen?
Andrea Die Friseuse Andrea, deren Idol Jennifer "I'm fake" Lopez ist, sieht mit ihren roten Strähnchen aus wie ein Skunk, mit ihren Hamsterbäckchen aber eher wie ein Meerschweinchen, während ihr Gesang an einen heiseren Wellensittich erinnert. Für das protoplasmisch niedrige Niveau des Studiopublikums mag's reichen, aber auch für die Horden von grunzenden Menschenaffen vor den Fernsehern?
Daniel K. Die überdrehten Possen, modischen Extravaganzen und ungestümen Gefühlsausbrüche des angehenden Kinderpflegers Daniel K. mögen beim ersten Sehen noch lustig sein, spätestens beim dritten Mal aber wünscht man ihm nur noch eine Marathon-Moderation Hunzikers und Spengemanns an den Hals. Oder - was immer zuerst kommt - beim ersten Mal, wenn man seine Stimme hört, die beständig klingt, als stünde Kermit der Frosch ganz kurz davor, von Miss Piggy zum explosiven Orgasmus gebracht zu werden. Zurück in den Tümpel mit ihm!
Daniel L. Der narzißtische Aufreißer Daniel L. hat zwar noch nie etwas außer heißer Luft in seiner fünfeckigen Birne gehabt und kann nicht singen, bleibt dank seiner spastisch-lasziven Bewegungen und seines pseudo-feurigen Blickes aus stumpfen Augen aber trotzdem der Schwarm Dieter Bohlens und aller Sugar-Leserinnen. Da ist sein nuschelndes Latino-Stimmchen wahrlich das kleinste Problem.
Gracia Die aparte Gracia steht zwar fast so breitschultrig und groß wie Mike Tyson da und sieht manchmal aus wie die unerträgliche Kermit-Röhre Anastacia, entschädigt dafür aber durch eine warme Stimme, schnucklige Schlupflider, eine weibliche Figur und nicht zuletzt eine liebliche Persönlichkeit. Also nur eine Frage der Zeit, bis sie von den Millionen neidischer, dicker Mädchen Deutschlands zugunsten der Songboys rausgekegelt wird...
Judith Die Sängerin Judith besitzt unbestritten die beste Stimme im Feld. Aber auch den irritierendsten Silberblick, die grimmigste Leichenbittermiene, den unvorteilhaftesten Kleidergeschmack und die frostigste Faß-mich-nicht-an-Persönlichkeit. Eine interessante, aber risikoreiche Mischung!
Juliette Die etwas hochnäsig wirkende Musicaldarstellerin Juliette sieht nicht nur gut - wenngleich etwas spröde - aus, sondern singt und bewegt sich auch genauso. Nur an ihrem viel zu kurzen und meist furchtbar toupierten Hella-von-Sinnen-Haar und ihrer Bordsteinschwalben-Mode sollte sie noch arbeiten...
Nektarios Der phlegmatische Student Nektarios mit den zusammengewachsenen Augenbrauen auf der zucchiniförmigen, nur noch mit einigen traurigen, wirren Büscheln Resthaar bedeckten Rübe, dem Schamhaar bis zum Hals und dem Kleidergeschmack direkt aus der Secondhandtonne hat eine schöne Stimme. Aber das ist dann auch schon alles.
Nicole Die arbeitslose Blondine Nicole, die die zusammengeklappte Judith ersetzt, sieht aus wie Dolly Buster in ihrer Jugend (um 1930 also) und damit so steril wie künstlich. Dafür aber ohne Akzent und mit wenigstens zwei Handvoll Talent. Honi soit qui mal y pense.
Stephanie Stephanie sieht aus wie eine Mischung aus Céline Dion, Minnie Maus und einer Holzbohle, hat aber nur die dünne Stimme Zweiterer und die nicht vorhandene Ausstrahlung Letzterer. Selbst Carsten Spengemann hat mehr Bühnenpräsenz, und das heißt schon was!
Vanessa Die kleine Vanessa wirkt bis auf gelegentliche, arge modische Ausfälle angenehm knuffig, wenngleich etwas piepsig und zerbrechlich. Unter Dieter Bohlens schützender (und fummelnder) Hand aber wird sie es zumindest so weit bringen, bis die neidischen, fetten Mädchen auch sie schmählich für einen der Posterboys fallenlassen werden.

Das Ende vom Lied

Am Ende, im knospenden Frühling, werden alle glücklich sein: RTL, weil "Deutschland sucht den Superstar" ihnen traumhafte Quoten und noch traumhaftere Werbeeinnahmen beschert haben wird. Bertelsmann, weil deren Musikabteilung den neuen "Superstar" produzieren und vermarkten wird. Dieter Bohlen, weil er die Songs für das formbare Talent schreiben und daher ebenfalls kräftig mitkassieren wird. Der "Star", weil er sich im Austausch für den buchstäblichen Verkauf seiner Seele für kurze Zeit in allzu vergänglichem Ruhm sonnen können wird. Der Zuschauer, weil er glauben wird, wirklich der Entstehung eines neuen Sterns teilhaftig geworden zu sein, was er durch den millionenfachen Kauf der Platten belohnen wird. Und ich, weil ich mit diesem Artikel eine unschlagbare Ausrede gehabt haben werde, gleich zwei prickelnde Fotos der nur schweigend schönen Michelle Hunziker auszusuchen. Danke RTL!

Michelle Hunziker

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