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Wo hu cang long

-- Impressive! --

Szene aus Wo hu cang long

Info über Wo hu cang long (RC 2000)

Regie: Ang Lee

Darsteller: Yun-Fat Chow, Michelle Yeoh, Ziyi Zhang, Chen Chang, Sihung Lung, Pei-Pei Cheng

Inhalt: Dem berühmten Helden Li Mu Bai kommt sein Schwert mehrfach abhanden.

Kritik: Die Crux aller Kritik ist, daß sie im Gegensatz zur Malerei, Musik, Literatur oder Filmkunst nichts erschafft, sondern ihrem Wesen nach destruktiv ist und ohne originale, zu kritisierende Werke nicht überleben kann, einem hungrigen Egel nicht unähnlich. Und genau wie diese verbringen viele Kritiker ein verachtetes Dasein im Dunkel der Zuschauerräume, den spitzen Stift immer zum Stechen bereit. Der unbarmherzige Biß in den Hals des Künstlers fällt freilich alles andere als leicht, wenn sein Werk aufgrund gehobener Qualität nur wenige Angriffspunkte bietet, und so müssen Rezensionen gelungener Werke immer ungleich schaler und langweiliger ausfallen als genüßlich sezierende Verrisse miserabler Machwerke.

So auch bei Wo hu cang long, der im englischen Sprachraum als "Crouching Tiger, Hidden Dragon" bekannt ist, hierzulande aber mit einer aus unbekannten Gründen verkürzten Version des englischen Titels bedacht wurde: was soll man zu einem in jeder Hinsicht makellosen Film anderes schreiben als eine uneingeschränkte Empfehlung? Angefangen von der märchenhaften Ausstattung, die das mittelalterliche China farbenreich und opulent in Kostümen, Fahrzeugen und Gebäuden wieder zum Leben erweckt, über die kristallklar-wunderbare Kamera Peter Paus, die die einmalige Schönheit der unterschiedlichen Landschaften des Reichs der Mitte in eindrucksvoll satten Farben auf die Leinwand bringt, bis zum souveränen Spiel aller Darsteller gibt es nichts, was an diesem Werk des hochtalentierten Ang Lee zu bemängeln wäre. Cellosolos des begnadeten Yo-Yo Ma untermalen Bilder, die lange im Gedächtnis des Zuschauers verbleiben: das bunte Treiben in der Metropole Beijing, die majestätisch-kühle Ruhe eines Bambuswaldes, die surreal flirrende Unwirklichkeit der Wüste oder die nebelverschleierte Mystik der Berge.
Die Schauspieler stehen dem in nichts nach: sowohl die nur scheinbar zarte, hierzulande vor allem aus Tomorrow Never Dies bekannte Michelle Yeoh als auch der unvergleichlich coole Yun-Fat Chow zeigen auf behutsam-leise Weise ihre darstellerische Extraklasse, die die tragisch verhinderte Liebesgeschichte ihrer Charaktere ergreifend nahegehen läßt. Übertroffen werden beide aber von der sympathisch energiegeladenen Ziyi Zhang, die als aufmüpfig-talentierte Jen die beste Rolle des Films noch zusätzlich schillern lässt - ihre verstohlenen Blicke, als sie Li Mu Bais (Chow) Schwert zum ersten Mal erblickt, und ihr erheiterndes Spiel mit dem hervorragend wild-romantischen Chen Chang als Lo bleiben ebenso in Erinnerung wie ihre furiosen Kämpfe mit nahezu allen Protagonisten.

Diese Kämpfe, von Woo-Ping Yuen (hierzulande vor allem durch seine Arbeit für The Matrix bekannt; ironischerweise preist der Verleih Wo hu cang long auf seltsam kulturimperialistische Weise mit einem Hinweis auf den Wachowski-Film an, ganz so, als wäre The Matrix das Vorbild für asiatische Martial-Arts-Streifen gewesen und nicht umgekehrt) choreographiert, sind in ihrer tänzerisch-klingenscharfen Präzision und rasanten Eleganz so atemberaubend anzusehen (und entbehren doch nicht wohlgesetzter humorvoller Momente), daß man auch hier nur den Verantwortlichen gratulieren kann.
Viel Aufruhr und kicherndes Unverständnis gab es in unserem Kulturkreis angesichts der Tatsache, daß die Protagonisten wie selbstverständlich über Hausdächer und auf Bambusstauden fliegen können, wobei manch ein scharfsichtiger westlicher Beobachter akkurat die wegretuschierten Drähte zählte. Ohne tiefergehende Kenntnisse der östlichen Metaphernwelt fällt eine Beurteilung dieser Szenen natürlich genauso schwer wie die Übersetzung altägyptischer Inschriften; in unbeschwerter Naivität kann man aber beide schön finden, auch wenn immer die Gefahr besteht, einem Kannitverstan aufzusitzen.

Und der Plot? Neben der verhinderten Liebe zwischen Li Mu Bai und Shu Lien (Yeoh) und dem (etwas klischeehaften) Wunsch, Lis ermordeten Meister zu rächen, enthält der niemals überladen wirkende Wo hu cang long die spannend-actionreiche coming-of-age-Story der jungen Jen, die nicht nur ihre große, wilde Liebe trifft, sondern sich auch von ihrer Lehrmeisterin (Pei-Pei Cheng als böse "Gouvernante") auf fatale Weise emanzipiert. Daß das Ende bei soviel Gefühlen kein fröhliches sein kann, ist irgendwann auch klar, und mit einem poetisch-elegischen Finale verabschiedet uns Ang Lees Meisterwerk zurück in die "wirkliche" Welt, im Kopf die schönsten und klarsten Bilder seit vielen Kinoäonen.

****1/2 von 5 Sternen.

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