Kritik:
Scott Adams, der
Autor des furiosen Comicstrips "Dilbert", scherzt in seinen
Büchern zuweilen, daß er keinem Produkt
widerstehen könne, das Cindy Crawford empfiehlt; daher
bestünde seine neue Garage vollständig aus
Revlon-Lippenstiften. Ähnlich ergeht es mir mit den
Filmen, in denen Kirsten Dunst mitspielt: koste es, was es
wolle, ich muß sie einfach sehen, und seien sie noch
so platt und schlecht wie Bring It On - solange
Kirsten mitspielt, kann kein Film ein Totalausfall
sein.
Die
attraktive und talentierte junge Amerikanerin mit dem
ungewöhnlichen, aber sehr melodischen Namen macht auch
The Virgin Suicides dank ihrer
außergewöhnlichen Präsenz und Ausstrahlung
zu einem sehr gelungenen Film, wozu freilich auch die
anderen guten Schauspieler und Sofia Coppolas stilsichere
Regie beitragen. Zu passend-ätherischer Musik mit
schön verträumt-milden, manchmal seltsamerweise
etwas an David Hamilton erinnernden, weichzeichnerischen
Bildern wird das Leben der fünf jungen, unter ihren
oppressiven Eltern leidenden Lisbon-Schwestern Mitte der
Siebziger in einer amerikanischen Kleinstadt gezeigt. Die
Kinder werden authentisch-rebellisch von Dunst und den
anderen (darunter eine junge Frau, die aussieht wie Uma
Thurmans kleine Schwester) Schauspielerinnen gegeben,
während James Woods als verstockt-schweigsam
Baseballspiele guckender Mathelehrer und Kathleen Turner als
rabiat-prüde Hausfrau erfolgreich und glaubwürdig
die konservativen Lisbon-Eltern mimen.
Durch das
die damaligen Ereignisse reflektierende Voiceover von
Giovanni Ribisi wird schnell klar, daß die Schwestern
sich getötet haben; letztlich geschehen die Selbstmorde
aber doch einigermaßen überraschend. Vorher
dürfen fünf Jungs noch den Schwestern auf
liebenswert unbeholfene Weise nachstellen, wobei der
Regisseurin und Drehbuchautorin aus dem Coppola-Clan einige
sehr nette Szenen gelingen: auf der einzigen Party, die die
Lisbon-Kinder (auf Anraten ihres Arztes Danny DeVito, der
einen halbminütigen Gastauftritt absolviert) in ihrem
Leben geben, versucht ein Junge, mit einem der Mädchen
auf herrlich linkische Weise ins Gespräch zu kommen,
während ein anderer Mrs. Lisbon mit plumpen
Schmeicheleien um den nicht vorhandenen Bart streicht.
Später üben sich die Jungs in Graphologie und
versuchen, sich anhand von Party-Souvenirs und des Tagebuchs
eines der Mädchen in die pubertäre Gedankenwelt
der Lisbons einzufühlen (wobei ihnen jedoch nur Bilder kurzberockter Mädchen in einem von warmem Licht beschienenen Kornfeld einfallen...), und ein anderes Mal starren sie mit
offenem Mund der sich in der Sonne räkelnden Lux Lisbon
(Dunst) nach, statt sich auf den Matheunterricht zu
konzentrieren.
Sofia
Coppola hat sich einige Mühe
gegeben, den Alltag und die Liebeleien amerikanischer
Jugendlicher in den Siebzigern wahrheitsgetreu, aber nicht
ohne Humor nachzustellen, was ihr auch ohne Umschweife
gelungen ist. Der kiffende Paradeschönling Trip
Fontaine, von Josh Hartnett selbstsicher und mit
geschmeidigen Bewegungen gegeben, macht die amerikanische,
auch hierzulande immer weiter verbreitete "Yes!"-Geste,
nachdem er Lux' Vater das Einverständnis
abgetrotzt hat, sie zum Homecoming-Ball begleiten zu
dürfen; Lux malt sich Trips Namen auf ihre Unterhosen,
was in einer lustigen Einstellung verdeutlicht wird, und
Mrs. Lisbon setzt sich zielgenau zwischen Lux und Trip, um
eine Annäherung der beiden während des
gemeinschaftlichen Fernsehens zu verhindern. All dies erntet
ob der gekonnt humorvollen Präsentation einige Lacher
und Schmunzler (ein paar nette sozialkritische Anspielungen
gibt es auch noch), aber letztlich endet die Beziehung der
beiden in einer Katastrophe, was den Witzen einen etwas
schalen Nachgeschmack verleiht. Zudem wird die
Unterdrückung der Kinder zwar in Beispielen angedeutet,
scheint aber nie so weit zu gehen, daß ein kollektiver
Selbstmord angemessen wäre. Coppola macht es sich etwas
zu leicht, indem sie die (womöglich nur von den Kindern
als solche empfundenen) Suizidursachen schlicht nicht zeigt
und den staunenden Zuschauer am Ende der 95 Minuten des
schön inszenierten und erinnerungswürdig gut
gespielten Filmes mit der "Warum?"-Frage und der Sinnlosigkeit des gemeinschaftlichen
Freitodes weitgehend allein läßt. Aber vielleicht
ist es ab und zu ganz gut, wenn "der Vorhang zu und alle
Fragen offen" sind.
   von
5 Sternen.
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