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Traffic

-- Berauschend gut --

Szene aus Traffic

Info über Traffic (USA 2000)

Regie: Steven Soderbergh

Darsteller: Michael Douglas, Don Cheadle, Benicio Del Toro, Catherine Zeta-Jones, Erika Christensen, Luis Guzmán

Inhalt: Der Kampf gegen die Drogen an vielen Fronten.

Kritik: Zuwenig Schlaf kann, einem milden Rauschmittel gleich, dem überreizten Gehirn so manchen Streich spielen, so manch banales Geschehnis zum großen Erlebnis aufbauschen. So erging es mir, als ich mich, bereits im übermüdeten Zustand, zur örtlichen Oscarnacht aufmachte, bei der eine "exklusive" Preview von Steven Soderberghs Traffic gegeben wurde. In der zweiten Reihe von vorne sitzend (ich war viel zu spät aufgekreuzt), schien mir jede Szene von unübertrefflich intensiver atmosphärischer Dichte, jedes Bild wie flirrende Hitze oder wie fröstelnde Kühle und jeder Schauspieler wie ein kleiner Laurence Olivier. Wie groß darum meine Überraschung, als sich auch im nüchtern-ausgeschlafenen Kinobesuchszustand einige Wochen später nicht viel an meinem ersten Eindruck änderte.
Denn mit Traffic ist Soderbergh, hört, hört, tatsächlich ein bemerkenswert packendes Drogendrama gelungen, das die Thematik facettenreich abbildet und beleuchtet, ohne je in allfällige Klischees, stupide Vorverurteilungen oder schreckliche Vereinfachungen zu verfallen. Mit einer blendend aufgelegten Starriege, fähigen Filmkünstlern und einem bis auf ein paar überzogene Figuren und Szenen sehr gelungenen und realistischen Drehbuch schafft es Soderbergh, zweieinhalb Stunden wie neunzig Minuten erscheinen zu lassen, für die andere Regisseure drei oder mehr Stunden gebraucht hätten, um nur die Hälfte zu erzählen.

Alles fängt in Mexiko an, das hier in ausgebleichten Tönen gefilmt wird, die die Hitze fast körperlich spürbar machen. Auch die trägen Worte der Akteure tragen zum Gefühl drückender Schwüle bei, ganz so, als fiele selbst das Bewegen der Zunge in der Mittagshitze unsagbar schwer. Die Polizisten "Manolito" Sanchez und Javier Rodriguez y Rodriguez - und Benicio del Toro als schlau-kontrollierter, aber innerlich aufgewühlter Cop mit hypnotisch-rauchigem Blick ist die ideale Verkörperung seiner Rolle - kommen Drogenkurieren auf die Spur, werden aber vom brutalen, arg an südamerikanische Militärputschisten erinnernden General Salazar (neben seinem Namen könnten auch seine goldumrandete Sonnenbrille, seine vielen Schultersterne, sein gestutztes Bärtchen und sein kurzes Stöckchen direkt alten Tim-und-Struppi-Bänden entsprungen sein) abgezockt und gezwungen, für ihn zu arbeiten. Unter anderem müssen sie in zwei köstlichen Szenen einen Killer in einer Schwulenbar anheuern sowie Salma Hayek, die sich hier als munter plappernde Mätresse ("Ay ay ay ay!") selbst karikierende Göttliche, zu ihrem Liebhaber, einem totgeglaubten Drogenboss, bringen. Als die beiden schließlich selbst versuchen, am Drogengeschäft mitzuverdienen, müssen sie in einer bemerkenswerten, an Goyas "Erschießung der Aufständischen" erinnernden Szene dem Tod ins Auge sehen.

Etwa zur selben Zeit fällt Catherine Zeta-Jones, hier aus Schwangerschaftsgründen rund wie ihr Heimatland, aus allen Wolken, als ihr Mann unter dem Verdacht verhaftet wird, ein Drogenschieber zu sein. Unter dem Eindruck der Bedrohung ihrer Kinder durch Gläubiger ihres Mannes entschließt sie sich, die Geschäfte zeitweilig zu übernehmen, inklusive Ermordung lästiger Zeugen und Kurierfahrten über die mexikanisch-US-amerikanische Grenze mit raffiniert getarntem Kokain. Diese Wandlung vom behüteten Luxusweib zur eiskalten Taktikerin ("Shoot him now!") geht zwar etwas holprig-abrupt vonstatten, wird von Zeta-Jones aber recht anschaulich, wenngleich nicht allzu überragend dargestellt.
Die Bewacher des Zeugen, den Zeta-Jones gerne tot sehen würde (ein herrlich grantelig-zynischer Miguel Ferrer), sind Don Cheadle und Luis Guzmán als eingespielt-humorvolles Polizistenpaar, das, ohne es zu wollen, durch seine mitunter lebensgefährliche Arbeit immer genau den Drogenbaronen hilft, die sie gerade nicht verhaftet haben, so vertrackt ist die Situation.

Das muß auch Robert Hudson Wakefield, der designierte "Drogenzar" des Präsidenten, erkennen, als er im emotionalsten (und blaugefärbtesten, Soderbergh ist nicht nur ein guter Regisseur, sondern auch ein ungewöhnlicher Kameramann) Teil des Films bemerkt, daß seine eigene Tochter, eine Einserschülerin, crackabhängig ist und einer Wir-sprechen-mal-drüber-Therapie entflieht. Verzweifelt sucht er, meist angenehm subtil von Michael Douglas dargestellt, in den Armenvierteln von Cincinnati nach seiner Caroline und erhält so einen Einblick in das heuchlerische Lügengebäude der (weißen) Oberschicht, die nach außen die (dunkelhäutigen) Drogendealer verdammt, aber heimlich doch bei ihnen Bestellungen aufgibt. Als er schließlich sein neues Amt mit einer kämpferisch-vereinfachenden Rede antreten soll, versagt ihm denn auch die Stimme, und er besinnt sich auf sein wertvollstes Gut: seine Familie.

So, durch diese geschickt miteinander verknüpften, sehr unterschiedlichen Einzelschicksale, wird die einmal stimmige Tagline des Films langsam klar: No one gets away clean, auch der äußerlich Sauberste steckt durch die Umstände mehr oder minder tief mit drin und ist gezwungen, sich illusionslos mit dem Thema auseinanderzusetzen. Was dabei herauskommt, wenn so unterschiedliche Menschen wie Javier Rodriguez, Helena Ayala oder Robert Wakefield sich mit den Drogen auseinandersetzen, die in ihr Leben dringen, zeigt Traffic ganz ohne scheinbar beruhigende "Patentlösungen" auf charmant beobachtend-nüchterne Weise, und trotz der etwas fransig-unausgegorenen Fast-Happy-Enden entläßt Soderbergh den Zuschauer schließlich in seine eigenen Gedanken zur komplexen Problematik. Wie erfrischend in einer Filmindustrie, in der sonst am Ende immer alles unbedingt gut werden muß, Asteroiden und Außerirdischen zum Trotz.

****von 5 Sternen.

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