Kritik:
Die
Videospielverfilmung, der letzte unbezwungene Everest
Hollywoods! Wie in sinnvolle Bilder, eine nachvollziehbare
Geschichte und glaubwürdige Charaktere packen, was auch
auf den zweiten Blick noch allzu abstrus wirkt: korpulente
italienische Klempner in Latzhosen, die mutierte
Schildkröten bekämpfen, um keusche Prinzessinnen
zu befreien; Frauen, Männer und Monster aus aller
Herren Länder, die sich ohne Grund gegenseitig
verprügeln; und adelige englische Archäologinnen
mit den Kurven eines Models, der Reaktionsschnelligkeit
eines Panthers und der Bildung eines Livingstone, die, statt
standesgemäß zu heiraten, lieber in verlorenen
Tälern Tyrannosaurier umlegen. Für die titanische
Aufgabe, aus einem beliebten Spiel einen ebenso beliebten
Film zu machen, scheint Simon West, der Macher des
Feinripp-Spektakels Con Air, denkbar ungeeignet - und
dennoch hat er es, man weiß gar nicht so recht wie,
geschafft, der elektronischen Ikone Lara Croft auf
sympathische Weise nicht ganz überzeugendes, aber doch
vergnügliches Leben einzuhauchen.
Neben
Popcorn und Blubberlutsch sollte der geneigte Zuschauer
allerdings auch etwas Toleranz für Tomb Raider
mit in den Saal bringen. Diesen Film unter der Lupe zu
betrachten, hieße, mit der virtuellen Lara so nah an
die zarten grünen Ranken ranzugehen, bis diese und der
Spielspaß sich in unförmige Polygone
auflösten: außer einem Jon Voight auf Autopilot
verhalten sich die Schauspieler so, als fehle die
Rechenkapazität, um ihnen mehr als zwei
Gesichtsausdrücke und eine Dimension zu spendieren, die Dialoge
könnten direkt aus einer in Aserbaidschan übersetzten
chinesischen Spielanleitung stammen, und die Story vermengt die
fragwürdige Illuminatenlegende mit Anleihen schlechter Animationen aus Blade, Indiana-Jones-Höllenmaschinen, einer
verquasten (und zum Glück nur angedeuteten)
Liebesgeschichte, planetengroßen logischen
Löchern und einer tränenreichen
Vater-wo-bist-Du-Kiste zu einem abenteuerlichen, aber von
groben Peinlichkeiten glücklicherweise freien
Konstrukt. Immerhin kann man jenen Kritikern, die Angelina Jolie schauspielerische Brillanz (lies: famose Brüste)
unterstellten, auch dann zustimmen, wenn ihre
vollen Lippen einen der sonderbaren Sätze sprechen
müssen, von denen das Drehbuch wimmelt wie ein Schwarm roter Ameisen im Brusthaar.
Und damit
sind wir, merkwürdige Überleitungen sind des
Kritikers Stolz, auch schon beim garantiert ameisenlosen
Werk von Angelina Jolies Chirurgen, das im Verein mit ihrem
konturierten Gesicht, ihren angeklebten Haarteilen, ihren
knappen Hotpants und ihren Holstern eine verblüffend
ideale Besetzung der Cyberlady Croft ergibt. Eine
augenzwinkernde Duschszene fehlt ebensowenig wie athletische
Kletterakrobatik, behende Salti, gelenkige Tritte und
beidhändige Ballerei aus Waffen, die mit ausgestrecktem
Arm abzufeuern selbst Schwarzenegger in seinen besten Tagen
nicht gelungen wäre. Wie Tom Cruise in Mission:
Impossible II kümmert sich auch Lara Croft auf
ihrem Motorrad nicht richtig um die Gesetze der Physik, aber
während Ersterer tatsächlich ernst nimmt, was er
da vorführt, nietet Angelina Jolie mit sichtlichem
Spaß an der Sache und einem ironischen Lächeln
auf den Lippen einen natürlich ständig
danebenschießenden Thug um, indem sie ihn, auf dem
Vorderrad schlitternd, mit dem in die Luft gehobenen
Hinterrad niederschlägt. Später plättet sie
eine vierschwertige Inkarnation Vishnus und hangelt
über schwebende Balken und gefährliche
Zahnräder, wobei sie noch unzähligen Explosionen
und schwirrenden Kugeln ausweicht; daß ihr Leben
dabei nie ernstlich in Gefahr zu sein scheint, kann nur
vorwerfen, wer auch die jüngeren Lara-Croft-Spiele in
einem Zug durchgespielt hat, so daß er nie verstand,
daß auch die hier am Ende paraphrasierte, mit "Game
over. Play again?" verheißene ewige Reinkarnation und
Unsterblichkeit Spannung bedeuten konnte.
So legt
sich Jolie mit Steingolems, Killerrobotern und
gefälschten englischen Akzenten an, und obwohl auch dem
von angeblichen Nacktcheats verrückt gewordenen Fan
bald klar ist, daß diese Frau - ähnlich wie James
Bond - selbst das Jüngste Gericht schlimmstenfalls mit
einer gesprungenen Lippe überleben würde, entsteht
beim Zuschauer nicht nur Spannung und Mitgefühl,
sondern schiere Freude ob der rasanten, tricktechnisch
ordentlichen, übersichtlich gefilmten und mit
treibender Musik versehenen Action, aus der das
durchtrainierte Voight-Engelchen stets siegreich hervorgeht.
Bis auf den hier leider etwas zu seltenen Humor reicht
Tomb Raider in diesen Szenen durchaus an Joseph
McGinty Nichols Charlie's Angels heran, in dem nichts
vergnüglicher war, als Drew Barrymore, Cameron Diaz und
Lucy Liu beim Verdreschen der zahllosen Finsterlinge
begeistert anzufeuern. Und so wie Charlie's Angels
versagt, wenn man ihn, ganz im Gegensatz zu McG, ernst
nehmen will, versagt auch Tomb Raider, wenn man ihn,
fast ganz im Gegensatz zu Simon West, für bare
Münze nimmt - es gibt keine Archäologinnen, die
gleichzeitig attraktiv, intelligent, sportlich, reich,
humorvoll, herzensgut und nahezu unverwundbar sind. Aber es
gibt jetzt einen spaßig-mitreißenden,
gelegentlich etwas holprigen, aber alles in allem stimmigen
Film über eine von ihnen.
  von 5 Sternen.
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