Kritik:
Siehe da, James
Cameron ist nicht nur ein hervorragender Action-Regisseur
mit einem Gespür für krachige Szenen, sondern auch
ein heimlicher, aber virtuoser Bläser melodisch
emuähnlicher Töne auf dem großen Didgeridoo
des Mainstream (Wer sagt, daß Vergleiche und Metaphern
einfach zu schreiben sind, hat es noch nie
versucht).
Titanic
jedenfalls ist von der ersten bis zur letzten Minute ein
allzu tiefsinnigen Erwägungen lediger, langer, aber nie
gedehnter Action-und Liebesfilm mit einer wundervoll
attraktiven und sinnlichen Kate Winslet, die direkt
Botticellis Pinsel entstammen könnte. Das Drehbuch
verlangt ihr nicht mehr als das arme reiche Mädchen ab,
das gegen seinen Willen verheiratet werden soll, aber diese
Rolle meistert sie mit Würde und Bravour. Ihr zur Seite
stehen ein wieder etwas aufgesetzt-posender ("I'm the
king of the world"), aber durchaus passabler DiCaprio und
eine Riege hervorragender Nebendarsteller wie Kathy Bates
oder Frances Fisher, deren Charaktere bei allem Talent ihre
Herkunft aus dem Abziehbilderalbum doch nicht verhehlen
können: den wütenden Verlobten (der ölige Billy Zane), die snobistische
Mutter (die wunderbare Frances Fisher) und den schmierigen Butler (der omnipräsente David Warner) hat man anderswo auch
schon gesehen und manchmal auch besser.
Die
Charaktere passen ja auch gut in die Story, die die alte
"Reiches Mädchen trifft armen
Jungen"-mit-einem-Hauch-Romeo-und-Julia-Kiste auf die
Titanic verlegt. Wieder sind die Reichen unendlich böse
und verkommen, und nur im freudigen Akkordeon- und Flötentanz der guten
Proletarier auf dem Unterdeck können die Liebenden
wahre Freude und Freiheit finden. Aber die neidischen Reichen sind ihnen
schon auf der Spur, von James Horners etwas aufdringlicher
Musik schmalzig-passend, aber nicht umwerfend unterstrichen,
dafür aber von Russell Carpenter in schönen, weiten und detailreichen
Bildern gezeigt.
All das
würde auf dem Mund jedes ernsthaften Kinogängers
bestenfalls ein spöttisches Kräuseln erzeugen ob
der vorhersehbaren Wendungen und der zu erwartenden
Kitschszenen. Und in der Tat bietet Camerons Film auch
nichts anderes als die bekannten Versatzstücke einer
solchen Lovestory: das zaghafte Kennenlernen, der
gehörnte Verlobte, die erste Liebesnacht und die
folgende Tragödie... Aber mit was für einem Sinn
für zwar bekannte, aber dennoch faszinierende Szenen,
wie gekonnt und stilsicher, wie opulent und dabei doch nur
wenig kitschig, wie sympathisch (die Spuckszene!) und ruhig das Ganze
umgesetzt wird, wie detailreich nebenbei das genau
recherchierte Interieur des Schiffes gezeigt wird,
dafür muß man Cameron dann doch Respekt zollen.
Und wie famos, spannend, tricktechnisch atemberaubend und dabei zutiefst erschütternd der
endliche Untergang des Schiffes und der Tod seiner Passagiere in der (durch F/X-Atem halbwegs glaubhaft gemachten) Kälte der Nacht Neufundlands inszeniert wird, das
muß man schon selbst gesehen haben.
So bleibt
man am Ende erstaunt sitzen und ist positiv überrascht,
daß der Action-Regisseur Cameron es tatsächlich geschafft hat,
allein aus bekannten Tönen so eine genießbare,
liebevolle, fehlerlose und gelungene Symphonie der Popkultur
zu schaffen, die gleichsam auf dem Atlantik des Mainstream
schwimmt, diesen aber elegant und sicher durchpflügt
- ohne Eisberg. Aber Wunder gibt es eben immer
wieder.
   von
5 Sternen.
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