Kritik:
Gut, alle
Star Trek-Hasser, sauertöpfischen Realisten und
Nitpicker werden auch an Star Trek: First
Contact einiges auszusetzen haben: wieso greifen
die Borg schon wieder nur mit einem Schiff an? Weshalb
reisen die Borg nicht in eine viel frühere
Vergangenheit, und wieso haben wir früher nie erfahren,
daß sie durch die Zeit reisen können? Warum
muß die Föderation zur Verteidigung der Erde,
ihrem angeblichen Hauptquartier, sogar Personal von der ewig
weit entfernten Station Deep Space 9 heranziehen? Wieso
haben die egalitären Borg auf einmal eine
"Königin", und weshalb kann sich die Queen mit einer
einzigen zugegebenermaßen schlagfertigen Bemerkung -
"Sie denken zu dreidimensional" - über logische
Löcher hinwegsetzen? Warum legen die Borg soviel Wert
darauf, Data, den sie früher noch als "primitiven
Automaten" bezeichneten, nun so kunstvoll zu verführen?
Wieso zeigt die Queen entgegen ihren eigenen Behauptungen
doch Gefühle, und das ausgerechnet für einen
Angehörigen einer unterentwickelten Spezies? Und
wieviele Haupthaare hat Patrick Stewart nun
wirklich?
Aber es ist
müßig, Star Trek: First Contact
Fehler vorzuwerfen, die viele Filme in noch
größerem Ausmaß haben. Bis auf das riesige
Fandom wird sie eh kaum ein Zuschauer bemerkt haben. Denn
der achte Teil des Star Trek-Franchise ist dank seiner
effektvollen Erläuterungen auch für nicht in Gene
Roddenberrys Universum ansässige Menschen leicht
verständlich. Die fast schon zu actionreiche
Kloppt-die-"Schweden"-von-der-Erde-Story
läßt sich nämlich auch dann gut verdauen,
wenn man die vielen Anspielungen, Insiderscherze,
Selbstreferenzen und Witze - von Barclay und dem Holodoc
über den gänsehautträchtigen ersten Treff mit
den Vulkaniern bis hin zu Datas exakter Erwähnung der
letztmaligen Benutzung seiner "multiplen Techniken" - nicht
bemerkt.
Jonathan
"William Thomas" Frakes hat es tatsächlich geschafft,
einen für die Masse kompatiblen Sci-Fi-Reißer zu
drehen und gleichzeitig den Star Trek-Spirit beizubehalten:
Worfs flapsiges "Assimilate this!", Picards Muskelspielchen,
die beeindruckende Raumanzug-Szene auf der Hülle der
schönen Enterprise-E und die vielen Borg-Ballerszenen
mögen eher dem Action-Massenpublikum gefallen,
während der Fan sich an Datas Dialogen mit der
Borg-Queen und an Picards letztendlicher Katharsis erfreut.
Erstaunlich dabei, daß ein in drei Folgen der
Next Generation-Serie eigentlich vorbildlich behandeltes
Trauma - Picards Entführung, seine geistige und
körperliche Vergewaltigung durch die Borg, die
Ausbeutung seines Wissens, um der Sternenflotte (in der
Synchro seltsamerweise wie schon in den ersten Filmen
"Raumflotte" genannt) zu schaden, und das Ausweinen bei
seinem knorrigen Bruder in Frankreich, Erde - hier auf eine
so plausible Weise wieder zum Vorschein kommt. Ein
großes Lob geht an die Autoren, die wunderbar intensiv
und glaubhaft zeigen, daß Picard das Erlebnis immer
noch nicht wirklich verarbeitet hat und im Herzen noch immer
nach Rache sinnt.
Die beste
Szene des ganzen Films ist dabei die geradezu klassische,
herrlich geschriebene, toll getimte und unglaublich gut
gespielte "Captain Ahab"-Szene zwischen Picard und Lily. Mit
der sehr passenden Wal-Metapher bringt sie dem völlig
verrannten Picard in einer hitzigen Konfrontation Vernunft
bei, und wie Alfre Woodard "You broke your little ships"
intoniert, oder wie Patrick Stewart behauptet, frei von
Rache zu sein, einen "Schlußstrich" zieht oder aus
"Moby Dick" zitiert, das muß man schon selbst gesehen
haben. Überhaupt, Patrick Stewart: über ihn
schreiben zu dürfen, heißt für mich dasselbe
wie für Günter Netzer, über Zinedine Zidane
sprechen zu dürfen - es ist ein einziges
Schwärmen. Dieser Mann kann einfach alles: harte
Actionszenen genauso wie tiefste Emotionen, weise
Ratschläge, romantische Dialoge und intensive
Konfrontationen - da macht sich die lange klassische
Ausbildung bemerkbar. Mit seiner respekterheischenden
Shakespeare-Stimme ("humanity"...) und
seinem fast schon römischen, scharfgeschnittenen Profil
ist er die Idealbesetzung für den weisen und mutigen
Captain Jean-Luc Picard.
Aber auch
die anderen Schauspieler aus dem eingespielten Cast geben
ihr Bestes: Brent Spiner darf mit der gemeinen Alice
Krige plauschen, Michael Dorn sich mit seinem Captain
anlegen, LeVar Burton den humorvollen James Cromwell als
Antiheld Zefram Cochrane anhimmeln und Marina Sirtis sich
betrinken. Einzig Gates McFadden wird mit einer etwas
kleineren Rolle abgespeist, und der Regisseur Jonathan
Frakes hält sich wohlweislich etwas zurück. Alfre
Woodard dagegen schafft es sogar, auf einer
schauspielerischen Stufe mit Patrick Stewart zu stehen, was
die Bei-uns-gibt-es-kein-Geld-Szenen der beiden zu einem
zusätzlichen Genuß macht. Einzig Neal McDonough
als größter Red-Shirt-Witz aller Zeiten "Lt.
Hawk" fällt etwas unter den Teppich, aber er ist ja nur
zum Sterben da.
Und das ist
noch nicht alles: der gelungene Jerry-Goldsmith-Soundtrack,
die tadellosen Spezialeffekte, die originelle Kamera und die
durchdesignten Sets machen aus Star Trek: First
Contact einen der technisch besten Science-Fiction-Filme
seit langem. Zusammen mit den bereits besprochenen
Vorzügen wird er so zu einem der besten Filme der Reihe
und zu einem anspruchsvollen Zukunfts-Actionreißer,
für Fans wie für Outsider gleichermaßen
gut.
   von
5 Sternen.
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