Kritik:
"Star Trek" ist, man
kann es ohne Übertreibung sagen, ein Phänomen. Von
den Anfängen als kleine Science-Fiction-Serie hat sich
Gene Roddenberrys optimistische Zukunftsvision zu einem
Multimilliarden-Dollar-Franchise entwickelt, das seit mehr
als dreißig Jahren Filme und Serien (meist) hoher
Qualität hervorgebracht hat. Fans in aller Welt
verfolgen gebannt die Abenteuer ihrer Helden.
Zum 25-jährigen Jubiläum konnte Paramount da
natürlich nicht untätig bleiben und spannte die
bewährten Leistungsträger ein, um einen neuen Film
zu entwickeln. Da mittlerweile die neue Serie mit Captain
Picard und seiner Crew einige Popularität erlangt
hatte, wollte man den Stab an die neue Generation
weitergeben, zugleich aber die aktuellen Weltereignisse -
den Zusammenbruch des Ostblocks - filmisch wiedergeben und
dazu noch ein paar Gaststars einbinden. Mit dem vorliegenden
Film ist es Nick Meyer auf bewundernswerte Weise gelungen,
all diese Aspekte zu verbinden und einen in sich
schlüssigen, spannenden und zeitaktuellen Film zu
schaffen, der einen vollkommenen und rührenden Abschied
für die alte Besatzung bildet.
Der zur
Energieerzeugung benutzte klingonische Mond Praxis -
Tschernobyl, ick hör Dir trapsen - explodiert infolge
von Überbeanspruchung. Die nun ihrer Energiequelle
beraubten Klingonen bitten um Friedensverhandlungen. In
einer die gesamte Serie umfassenden, Kirks Charakter wie in
einer Lupe bündelnden Sequenz wird er, jahrzehntelang
erbitterter Feind aller Klingonen, fast gegen seinen Willen
zu den Verhandlungen gerufen, denn, so ein altes
vulkanisches Sprichwort, nur Nixon, ein Konservativer,
konnte nach China gehen. Diesen Kniff kann man gar nicht
genug loben, zeigt er doch, daß selbst aus den
größten Widersachern am Ende Freunde werden
können, daß selbst jemand, der durch seine Feinde
seinen Sohn verloren hat, über seinen Schatten springen
und die Hand zum Frieden reichen kann. Eine wahrhaft
gelungene Charakterentwicklung, die Kirk am Ende noch mehr
Größe verleiht.
Aber
natürlich haben die Falken auf beiden Seiten etwas
gegen Frieden und schicken deshalb einen getarnten Bird of
Prey, um die Verhandlungen zu sabotieren. Daß die
meisten Zuschauer völlig mit dem klingonischen Schiff
und seiner Fähigkeit, "unsichtbar" zu werden, vertraut
sind, liegt am erstaunlichen Umgang der Star Trek-Reihe mit
seinen Raumschiffen. In fast jedem Film wurde mindestens ein
neues Schiff ausführlich vorgestellt und in langen
Aufnahmen bewundert - sei es die jeweils neueste Enterprise
(auch der Flugzeugträger), sei es Khans Reliant der
Miranda-Klasse, sei es das in Star Trek III: The Search for Spock zerstörte
kleine Wissenschaftsschiff Grissom der Oberth-Klasse, sei es
der von Kirk und seinen Freunden eroberte Bird of Prey
Bounty. Jedesmal waren die Modelle dabei so ausgereift,
detailreich und elegant, daß man sich gern an die
vielen Raumschiffe erinnert (die Amerikaner tun das offenbar
so gern, daß sie die NASA in einer gewaltigen Brief-
und Telefonaktion zwangen, das erste Space Shuttle
"Enterprise" zu nennen. Jahre später ist in der
offiziellen Literatur das Space Shuttle Enterprise als einer
der angeblichen Vorläufer des Raumschiffs Enterprise zu
finden, und Captain Picard hat sogar ein kleines Modell
davon in seiner Besprechungslounge stehen), auch wenn es immer noch
nicht besonders plausibel ist, daß ausgerechnet die
Brücke, der wichtigste Teil eines Schiffes, als
exponierter Buckel in der Mitte der Untertassensektion
sitzt.
Jedenfalls
kann der Bird of Prey getarnt schießen und stiftet
damit gehörig Verwirrung. Der klingonische Kanzler (ein
Gorbatschow-Verschnitt) kommt um, und Kirk und McCoy landen
als angebliche Täter in einer Strafkolonie, obwohl sie
von Colonel Worf verteidigt werden, einem Vorfahren des Lt.
Worf aus der neuen Serie. Beide werden übrigens von
Michael Dorn gespielt, der damit auch den personellen
Übergang mitgestaltet. Interessant ist hierbei das
unterschiedliche Make-Up beider Worfs, das die seltsame
Wandlung der Klingonenmaske im Laufe der Jahre wohl
evolutionär plausibilisieren soll. Von den braun
geschminkten Tataren mit glatter Stirn aus der Originalserie
über die mit einer leichten Furche ausgestatteten
Klingonen aus den Filmen bis zu den Kriegern mit riesigen
Stirnhöckern aus der neuen Serie ist es ein weiter
entwicklungsgeschichtlicher Weg - eigentlich zu weit
für achtzig kurze Jahre. Deswegen reden die Klingonen
ja auch nicht darüber (in Wahrheit gab es
früher nur kein Geld, um die angeblich schon immer geplanten
Höckermasken zu realisieren).
Nun
müssen Spock und die verbliebenen Crewmitglieder,
gesetzt, gekonnt und harmonisch spielend, den wahren
Mördern auf die Schliche kommen, was Nicholas Meyer in
toll gefilmten, hochspannenden und musikalisch packenden
Szenen zeigt. Auch die Charakterinteraktionen kommen nicht
zu kurz (Spocks Mentor-Beziehung zu Valeris!), und alle noch
losen Fäden aus den vorangegangenen Filmen werden
humorig wieder aufgenommen. So zeigt Scotty, wie gut er die
neue Enterprise wirklich kennt, und so kriegt Sulu endlich
sein lang ersehntes Kommando. Das ist natürlich nichts
anderes als der Kapitänssitz der Excelsior, die damit
einen wiederholten Gastauftritt absolviert. Dieses
wunderschöne, schlanke Schiff läuft der Enterprise
fast den Rang ab - nicht nur die Brücke (eine der
umgestalteten Next Generation-Kulissen) sieht
schöner und detaillierter aus, sondern auch die
Waffensysteme sind besser, Christian Slater ist als Cameo an
Bord, und die Excelsior-Tassen übertrifft ohnehin kein
noch so dicker Kirk.
Apropos
Kirk: während seine Freunde versuchen, seine Unschuld
zu beweisen, sitzt er in einer Strafkolonie auf einem
Eisplaneten fest, und manche diesbezügliche Klischees
(ein Kampf mit dem stärksten Insassen, "Hier ist noch
nie jemand ausgebrochen"-Sprüche...) kann sich auch
Nick Meyer nicht verkneifen, aber präsentiert sie
wenigstens atmosphärisch und mit guten Leistungen von
Kelley und Shatner. Dazu trägt auch das somalische
Model Iman bei, das mit gelungenen Morphing-Effekten eine
durchtriebene Gestaltwandlerin spielt und Kirk fast an der
Flucht hindert.
Aber natürlich nur fast, denn zum Schluß kommt es
zum Endkampf zwischen Kirk und dem bösen General Chang,
der von Christopher Plummer mit passenden
Shakespeare-Zitaten ("im klingonischen Original") toll
gegeben wird. Wuchtige Effekte und gut geschnittene und
choreographierte Schußwechsel machen diesen Kampf so
interessant, spannend und überraschend wie den in
Star Trek: The Wrath of Khan.
Am Ende
bleibt Meyer dank seiner dichten Regieführung und dem
hohen Tempo des Films sogar noch Zeit für einen
wehmütigen Abgesang der alten Besatzung, eine
Erinnerung an vergangene Abenteuer und die symbolische
Weitergabe der Staffel an kommende Generationen. Die
Enterprise und die Excelsior fliegen gemeinsam in den
Sonnenuntergang (oder wie immer man das im All nennt), und
zurück bleibt das Gefühl eines vollendeten,
sanften Abschieds, der den Weg für Neues ebnet, und das
Wissen, wieder einen hervorragend geradzahligen Star Trek-Film gesehen zu
haben.
   von 5 Sternen.
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