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Soylent Green

-- Auflösung mit Titanic-Bekanntheitsgrad --

Szene aus Soylent Green

Info über Soylent Green (USA 1973)

Regie: Richard Fleischer

Darsteller: Charlton Heston, Leigh Taylor-Young, Brock Peters, Edward G. Robinson, Joseph Cotten, Chuck Connors

Inhalt: In einer übervölkerten und zerstörten zukünftigen Welt ernähren sich Millionen Menschen von Synthetikessen. Aber es steckt ein böses Geheimnis dahinter.

Kritik: Manche Filme atmen, auch wenn sie vorgeblich zeitlose Klassiker sind, in Wahrheit doch sehr den Geist ihrer Zeit. In Soylent Green, 1973 erschienen, spiegeln sich nur allzu klar die Nachwirkungen der Ölkrise, die die Vergänglichkeit fossiler Energieträger drastisch klarmachte. Auch der 1972 erschienene Bericht "Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome (eine lose Vereinigung von um die Zukunft besorgten Wissenschaftlern), der auf empirische Weise das baldige Ende der Rohstoffreserven und die fortschreitende Umweltzerstörung prophezeite (da die Voraussagen leider nur auf simplen Extrapolationen des damaligen Ist-Zustandes beruhten, ohne den technischen Fortschritt einzubeziehen, ist es auch heute noch nicht zu einer weltweiten Energiekrise gekommen), klingt in Sols bitterer Klage über die zerstörte Umwelt und den Treibhauseffekt an.

Mit solchen zeitgeistlichen Voraussetzungen ist es kein Wunder, daß Soylent Green ein Ökothriller reinster Güte ist. Richard Fleischers (der Name paßt wie die Faust aufs Auge) Film fängt mit einer Clipshow der vermeintlich zivilisierten Gesellschaft an, die unentwegt im Stau steckt und riesige Müllberge produziert. Auf geht's in ein New York des Jahres 2022, das offensichtlich aufgrund fehlenden Budgets nur aus schummrigen Hinterhöfen und überfüllten Plätzen besteht, auf denen die Millionen arbeitslosen Einwohner der hoffnungslos übervölkerten Stadt nach Nahrung suchen. Futuristische Erfindungen und Schauplätze sucht man vergebens - einzig die Lavalampen-Einrichtung der Wohnungen, die Star Trek-artigen Kleider der Menschen und natürlich die allmächtige Nahrungsmittelfirma Soylent vermitteln so etwas wie ein Bild von der Zukunft, was die komischen Footballhelme der Polizisten und die zum Auflösen von Demonstrationen benutzten Schaufellaster in ihrer lächerlichen Einfachheit und Lieblosigkeit nicht schaffen.

Mittendrin: Charlton Heston, heute ein bigotter NRA-Propagandist, damals noch ein Sci-Fi-Star. Als Recht suchender Cop lebt er mit seinem lebenden Archiv, einem großartigen Edward G. Robinson in seiner letzten Rolle, in einer kleinen WG. Er untersucht den Mord an William Simonson, einem reichen Soylent-Manager, und wie Heston prima spielend das fließende Wasser, die Seife, den Bourbon und die Köstlichkeiten (279 Dollar für etwas Gemüse und Eier) in Simonsons Apartment bewundert und schließlich mitgehen läßt, das gibt dann doch einen tieferen Einblick in diese Zukunft, in der man für Strom strampeln und für Wasser anstehen muß. Auch das Festessen (Rindfleisch und Gemüse, zum Nachtisch ein Apfel) des an Besteck nicht gewohnten Heston und dem vor Rührung weinenden Robinson, von den beiden wunderbar harmonisch und glaubhaft gespielt, macht, oft nur mit kleinen Nebenbemerkungen ("I have never eaten like this") klar, wie sehr die Menschen der Zukunft der Natur entfremdet sind.
Natürlich verliebt sich unser Held auch, und zwar in die "Ausstattung" von Simonsons Wohnung, eine junge Prostituierte, überzeugend von der attraktiven Leigh Taylor-Young dargestellt. In der Zukunft gehört zu jedem teureren Apartment eine eigene Prostituierte, die alle ehelichen Pflichten übernimmt und dafür die Annehmlichkeiten der Wohnung genießt - herkömmliche Partnerwahl scheint abgeschafft zu sein. Für Hollywood völlig unüblicherweise rebelliert der Held nicht einmal gegen diese Ordnung, sondern nimmt sich wie selbstverständlich seinen Teil und blockt am Ende sogar einen Ausbruchsversuch seiner Shirl ab, was nochmal auf bezaubernd subtile Weise deutlich macht, wie sehr Hestons Charakter ein Teil jener Zukunft ist.

Schließlich kommt Heston, nachdem er einen Mordanschlag und den üblichen, korrupten "Ich-suspendiere-Sie"-Polizeipräsidenten aus dem Feld geschlagen hat, auf die Spur der üblen Machenschaften des Soylent-Konzerns. Kamera-, musik-, action- und schnitttechnisch ist das Ganze zwar nicht berauschend, aber durchaus erträglich. Die surreale Sterbeszene des Sol Roth, der in einem Archiv voller alter Menschen hinter das Geheimnis von Soylent Green gekommen ist und, der Welt überdrüssig, eine Sterbehilfeanstalt aufgesucht hat, ist sogar sehr gelungen und zeigt auf wunderschöne Weise, was die Menschen der Zukunft für immer verloren haben. Wieder übertreffen sich Robinson und Heston gegenseitig und spielen erschütternd gut und bewegend. Danach sucht Heston die Entsorgungsanstalt auf und erfährt endlich (das dürfte mittlerweile wohl allgemein bekannt sein), daß Soylent Green doch nicht aus dem in Wahrheit ausgestorbenen Plankton hergestellt wird. In der Schlußeinstellung versucht Heston, die Menschen zu warnen, den blutenden Arm wie in einem Griff nach göttlicher Hilfe nach oben gestreckt. Aber da ist nichts.

Fazit also: ein zeitgeistig angehauchter, auf den ersten Blick billig produzierter Ökokrimi, der aber auf den zweiten Blick durch seine guten Schauspieler und seine hintergründigen Hinweise eine vielschichtige, dunkle Zukunftswelt zum Leben erweckt. Ein zeitloser Klassiker eben.

****von 5 Sternen.

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