Kritik:
Und siehe da, er
kann's ja doch! Die Rede ist natürlich vom von mir
vielgescholtenen Bruce Willis, dem Action-Hero; er will in
Zukunft dem Haudrauf-Genre entsagen und sich in ernsteren
Rollen üben. Weiter so! Mit seiner
sympathisch-kraftvollen Ausstrahlung und seiner zwar nicht
sehr variantenreichen, aber dennoch eingehenden Mimik ist er
eine seltsam passende Besetzung für den resignierten
Psychiater. Ihm zur Seite stehen die wunderbare Toni
Collette als überzeugend überfordert-besorgte
Mutter und - Wunder über Wunder - ein Kind, das
schauspielern kann! Und das so gut, daß es viermal so
alte Kollegen locker in die Tasche steckt. Mit Haley Joel
Osment ist dem bisher unbekannten Regisseur M. Night
Shyamalan ein wahrer Besetzungscoup gelungen. Mit einer voll
überzeugenden, natürlichen Darstellung, die unter
die Haut geht, bringt er seine Geistervisionen
furchterregend realistisch rüber. So kann der Regisseur
auf große Effekthascherei verzichten und stattdessen
auf psychologischen Horror, eine virtuose, die Akteure gut
in Szene setzende Kamera mit vielen Schockbildern und gute
Angstmusik setzen. Und wenn doch mal Spezialeffekte
gebraucht werden, kommen sie aus den Stan Winston Studios,
die für ausgezeichnet realistische Arbeit bürgen.
Die
Geschichte bringt einen originellen Twist in die "ich sehe
Geister"-Prämisse (die brauchen nur Hilfe) und bietet
ein hier natürlich nicht verratenes Ende, das viele
sehr überraschen wird und im Nachhinein das soeben
Gesehene relativiert und umwirft - eine etwas seltsame, in
letzter Zeit zu beobachtende Tendenz in neuen Streifen
(eXistenZ, Fight Club...), die mir aber
durchaus gefällt - wenn mehr Filme so sind wie die von
David Fincher und weniger so wie die von Michael Bay, kann
es mit der Welt nur aufwärts gehen. Aber wenn man gut
aufpaßt, kann man hier das Ende schon vorher ahnen
- es hängt mit der Interaktion der Figuren untereinander
zusammen...
Aber
vielleicht achtet man darauf ja gar nicht, sondern ist ganz
hingerissen von den großartigen Schauspielern, die in
prima Spiellaune The Sixth Sense zu einem wahren
Genuß machen; vielleicht bewundert man auch die
schön gezeigte, sich langsam entwickelnde Freundschaft
zwischen dem Jungen und dem Doc oder die besorgte, aber
dennoch liebende Mutter-Sohn-Beziehung oder die
"Affäre" von Crowes Frau - ein toller Film über
Liebe, Beziehungen und Freundschaften und eine Empfehlung
für alle, die noch auf mindestens einem Auge
sehen.
   1/2
von 5 Sternen.
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