Kritik:
Nach einer immer
größer werdenden Zahl von Kritiken aus meiner
"Feder" und vor dieser hier soll diese Einleitung wie einige
andere der Erörterung eines auf den ersten Blick eher
abseitigen, aber auch in diesem Film zu beklagenden Themas dienen (vulgo eine Tirade sein. Wer nicht
mag, liest am Absatz weiter): deutsche
Synchronisation.
Regelmäßigern
Lesern (gibt es die?) wird bereits aufgefallen sein,
daß ich in den eigentlichen Kritiken nur die
originalen, meist englischen Titel verwende. Das geschieht
nicht nur, um still gegen den Analphabetismus und die
Sprachunkenntnis meiner lieben Landsleute zu protestieren,
sondern auch, um meine Kritiken so wenig wie möglich
mit den unmöglichen deutschen Filmtiteln zu
verschmutzen. Es reicht nicht, daß die
Spaßsender Rammeln, Töten, Lallen, Contra 7 und
Konsorten selbst die hübschesten Dorfdramen mit
reißerischen Sesselfurzer-Titeln wie "Beichtstuhl der
Begierde" besudeln, nein, selbst im Kino sind die
Sprachpanscher mit aller Macht zugange. Man sollte meinen,
daß in Synchron-, also mithin Übersetzungsstudios
nur Leute sitzen, die die jeweiligen Sprachen perfekt und im
Schlaf beherrschen - sonst wären sie wohl kaum als
Übersetzer eingestellt worden.
Aber was geschieht? Die schönsten, klang-und
meinungsvollsten Originalnamen werden um der nicht
Fremdsprachenkundigen willen zu hohlen, platten, dummen, oft
schlicht falschen und stumpfen deutschen Titeln verwurstet.
Bleibt der Originaltitel gnädigerweise einmal doch, so
wird er dafür garantiert mit einem völlig
unwitzigen und pseudo-lustigen Untertitel versehen, um auch
ja jede Vorfreude gründlich zu zerstören. "Star
Trek V: Am Rande des Universums", in dem Captain Kirk und
seine Rentner-Combo bezeichnenderweise ins Zentrum
der Galaxis fliegen, sei ein Mahnmal in alle
Ewigkeit.
Was sich im
Titel nur schwach andeutet, wird im Film dann Wirklichkeit:
völlig unpassende Synchronstimmen dürfen weder
logisch noch inhaltlich zueinander passende Sätze
lallen, wobei weder die Regeln der Originalsprache noch die des
Deutschen eingehalten werden. Kenntnisse in Physik, Kultur,
Musik und Slang kann man ebensowenig verlangen, und so kommt
es zu weiteren Ärgernissen, besonders angesichts
solcher Fehler wie "become ist nicht gleich
bekommen", wie sie einem schon in der fünften
Klasse scheinbar ein für allemal ausgetrieben wurden.
Trotz der roten Wutschleier vor den Ohren fallen
außerdem befremdliche Praktiken auf: wieso werden
kleinwüchsige Männer, auch wenn sie im Original
kernige, tiefe Stimmen haben (wie Michael J. Fox), im
Deutschen unweigerlich mit lächerlichen
Piepse-Stimmchen bis in alle Ewigkeit gebrandmarkt? Wieso
kriegen Schwarze dafür immer die "Jambo
Bwana"-Gospel-Stimmen ab? Wieso siezen sich alle Liebespaare
- aber ab dem ersten Kuß (genau dann!) nicht mehr
("you can say you to me")? Wieso hört man immer die
gleichen Sprecher in allen Filmen? Merken die Sprecher
nicht, was sie da für ein Zeug von sich geben?
Redigiert niemand die Übersetzungen? Was machen diese
Leute für ihr Geld? Ich dachte, man legte hierzulande
Wert auf Qualität! So muß die Welt böse und
verdorben bleiben, weil die Synchronstudios keine
Völkerverständigung zustande bringen. Schade,
schade.
War noch
was? Ach ja, der Film: Denzel Washington ist also wieder der
gute Polizist oder sowas und spielt das passabel wie immer,
während Annette Bening als Agentin in New York
herumwuselt. Sehr nüchtern, fast schlapp gefilmt und
vertont das Ganze, sehr politisch, für Hollywood
ungewöhnlich ernst, mit damals aktuellen
Bin-Laden-Bezügen, kopfbetont und intellektuell. Nette
Bilder von der schönen Kultur der Araber, die hier ganz
ungewöhnlicherweise nicht als eindimensionale
"Inschallah"-Terroristen, sondern als richtige Menschen mit
vielen Facetten dargestellt und vom Militär
martialisch schikaniert werden.
Terroranschläge.
Aufruhr in New York. Etwas unglaubhaft im demokratischen
Amerika: der law-and-order-Zwei-Sterne-General mit dem
schönen Namen William Devereaux verhängt das
Kriegsrecht und marschiert ein. Wo andere mit gewichsten
Stiefeln im Stechschritt jubilierend-enthusiastisch nun das
heldenhafte Militär über den grünen Klee
gefilmt hätten, bleibt The Siege weiterhin
bemerkenswert teilnahmslos, und die tumultartigen Szenen
rühren nicht wirklich an. Das liegt leider zum
größten Teil an Bruce Willis, der als General
seltsamerweise völlig fehlbesetzt ist. Wo er als harter
Hero sonst für solch kompromißlose Rollen
prädestiniert scheint, versagt er hier als kühler
Machtmensch Devereaux. Seiner immer leicht
verzottelt-sympathisch-warmherzigen, aber wenig
verschlagenen Erscheinung einen knallharten General
abzunehmen, fällt schwer. Wer - und das ist beim Bund
wohl auch so wie in der US-Army - wer General werden will,
muß eisern und diszipliniert sein, hart zu sich selbst
und anderen, immer hellwach, immer in einer tadellosen
Uniform, immer bereit, Konkurrenten skrupellos
abzuschießen, mehr eine Schlange als ein Löwe...
Zu Willis paßt der verschuldete Taxifahrer Korben
Dallas in seiner muffigen Bude weit besser als der kalte
William Devereaux in seiner blitzsauberen Offiziersstube, so
komisch es auf den ersten Blick auch scheint.
Weiterhin
verzettelt sich der Film am Ende etwas in seltsamen
Actionszenen, komischen Wendungen und fragwürdigen
Aussagen, kommt durcheinander und verwirrt mehr, als
aufzuklären, und schließlich bleibt nur der
halbgare Eindruck eines lauen Actionfilms zurück, der
gerne ein harter Politthriller wäre...oder umgekehrt.
Da hilft auch die beste Synchronisation nichts.
1/2 von
5 Sternen.
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