Kritik:
Der Psychologie
und ihren populärwissenschaftlichen Thesen ist es
anzulasten, daß ich nicht mehr unbefangen an manche
Bilder herangehen kann, sondern Dinge in sie
hineininterpretiere, die möglicherweise, getreu Sigmund
Freuds angeblichem Leitsatz, daß eine Zigarre manchmal
eben nur eine Zigarre sei, gar nicht da sind. Was soll ich
zum Beispiel von jener Marlboro-Werbung halten, in der ein
alter, weiser Cowboy mit Mühe und Können
rechtzeitig zur Ankunft des Marlboro-Mannes, sein
kernig-männliches Gesicht kennen wir alle, einen neuen
Sattel verfertigt, dessen Knauf der Marlboro-Mann sogleich
mit seiner Rechten fest umfaßt, worauf beide zufrieden
lächeln? Da werden Erinnerungen an bestimmte Szenen in
Batman & Robin wach...
Und was hat
das überraschende Ende in John Singletons Shaft
zu bedeuten? Vertraut der Regisseur der Justiz nicht mehr,
will er Lynchmorde wieder modisch machen, oder ist seinem
Drehbuchautor nur nichts anderes als platt-reaktionäre
Selbstjustiz-Hetze eingefallen? Vieles spricht für
Letzteres, da Shaft schon vorher durch beeindruckende
Vorhersehbarkeit und Klischeehaftigkeit negativ
auffällt: natürlich wird der Held vom Dienst
suspendiert, bevor er den Fall lösen kann,
natürlich treffen die Bösewichte auch mit
Maschinengewehren aus einem halben Meter Entfernung nichts,
wohingegen John Shaft mit einem Schuß aus seiner
Pistole fünf Feinde auf einmal niederstreckt (ohne
irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen...),
und natürlich haben die ausländischen Kriminellen
ganz fürchterliche Akzente, deren deutsch
synchronisierte Nachbildung mir diesmal
glücklicherweise erspart blieb. Auch in der
Originalfassung entkam ich dagegen nicht der - bis auf Isaac
Hayes' wunderbaren Titelsong - eher langweiligen Musik, der
schlapp inszenierten Action, den zu
bunt-unwirklichen Szenarien und der nur durchschnittlichen
Kamera- und Schnittechnik, deren wenige gute Momente die
sind, in denen John Shaft in seinem blitzsauberen
Armani-Mantel über die Straßen New Yorks
schreitet.
Überhaupt
ist ein großer Teil des Films auf den Hauptdarsteller
Samuel L. Jackson zugeschnitten, der seinen Job von der
schönen Retro-Eröffnungsszene an
glücklicherweise sehr gut macht und als ultracooler,
smarter und zupackender Cop in fast jeder Szene so
begeistert, daß man selbst so lässig wie Shafts
Kollegen nach ihm rufen möchte: "Yo Shaft, great
job!" Auch die anderen Darsteller, darunter der
Original-Shaft Richard Roundtree als John Shafts Onkel John
Shaft, zeigen überdurchschnittliche Leistungen, wobei
vor allem Christian "Bateman" Bale als reicher weißer
Rassist in einer nur leicht abgemilderten Fortsetzung seiner Rolle aus American Psycho und die wunderbare Toni Collette als verängstigte Kronzeugin
zu gefallen wissen, während der Rapper Busta Rhymes und
andere Schauspieler für einige nette Scherze sorgen.
Diese sind auch nötig, um die recht komplexe und mit
einigen unnötig gewalttätigen Szenen durchsetzte,
aber im Kern doch nur mehr oder weniger diskriminierende
Zerrbilder (die bösen und korrupten Weißen, die
diebischen Latinos, die Homeboy-Schwarzen...) und billige Storykniffe (der sterbende Bruder...) reproduzierende Story
aufzulockern, an deren Ende die bereits erwähnte,
fragwürdige Zahn-um-Zahn-Aussage steht, welche John
Singletons Shaft die Pluspunkte kostet, die der Film
durch seine guten und cool präsentierten Akteure und
Dialoge sammeln konnte. Schade um das letztlich vergebene
Potential.
 1/2 von
5 Sternen.
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