Kritik:
Zu den
Sternstunden auf der noch jungen PlayStation-Spielekonsole
von Sony gehörte das furiose Abenteuerspiel "Resident
Evil" von Capcom. Allein in einem riesigen, fabelhaft
atmosphärischen Herrenhaus lief der Spieler als
wahlweise muskulös männliches oder attraktiv
weibliches Mitglied eines Elitekommandos durch die
verlassenen Räume und versuchte, durch Lösen
kleiner Rätsel und Puzzles hinter das Geheimnis des
Anwesens zu kommen. Erschwert wurde dieses Vorhaben durch
Dutzende mordlustiger Zombies, knurrender Mutantenhunde und
froschartiger Absonderlichkeiten, die mit allzu knapper
Munition und notfalls eben auf furchterregend kurze Distanz
mit dem Kampfmesser blutig getötet werden
mußten.
Das originelle, fesselnde und innovative Spiel wurde ein
weltweiter Erfolg, begründete das neue Spielgenre des
Survivalhorrors, bereitete den Pfad für unzählige
Nachfolger und Kopien und wurde hierzulande in
bewährter Manier in allen Formen indiziert, verdammt
und verteufelt - wo kämen wir denn hin, wenn Erwachsene
selbst wählen dürften, was sie sehen, hören
oder spielen möchten!
Auch viele
Jahre später ist das Spiel vielen noch bestens in
Erinnerung - neben der unwahrscheinlich packenden Stimmung,
der kreativen Storyline und den herzzerfetzenden
Schockeffekten (etwa mit den durchs Fenster brechenden
Hunden im ersten oder dem durch den halbdurchlässigen
Spiegel stürzenden Licker-Monster im zweiten Teil) tragen vor
allem die unglaublich knackigen Toneffekte auf eher
unbewußter Ebene zur Erinnerungswürdigkeit bei:
das hämische Knarren der Holztüren, nur zu oft
Herold eines weiteren gräßlich zombieverseuchten
Raumes; das hallende Klappern der Schuhe in den weiten
Sälen; das Ticken der
Standuhr im Eßsaal und das harte Klackern der
altertümlichen Schreibmaschinen; die trockene Explosion
der abgefeuerten 9-mm-Pistole, gefolgt vom hohl metallischen
Klang der herausgeschleuderten Hülse; im wuchtigen
Gegensatz dazu der dumpf-satte Klang der vor allem auf kurze
Entfernungen verheerenden Magnum; und schließlich das
resignierte und nur zu häufig gehörte Klacken
leerer Läufe, projektilloser Magazine und fehlender
Kartuschen, dem Spieler zur alptraumhaften Panik und den
Ungeheuern zur beständigen Freude. Ein
großartiges Spiel.
Paul
Anderson nun, der Macher solcher "Werke" wie Event
Horizon, schickt sich an, Capcoms Meisterstück auf
die Leinwand zu bringen, und es ist, als versuchte ein
Fassadenmaler, zu sein wie Picasso: aus der Ferne mag der
Film vielleicht an das Spiel erinnern, aus der Nähe
aber zeigt sich, daß mit einem überbreiten
Rollpinsel nur schrille Flächen, aber keinerlei feine
Nuancen möglich sind.
Seinen Anfang immerhin findet Resident Evil nach
einer etwas konfusen Einführungsszene auf eine angenehm ironisch an The Fifth
Element erinnernde Weise mit einer nackten Milla
Jovovich. Die Ukrainerin, durch Luc Bessons oben
genanntes Alle-meine-Mätressen-in-einem-Film-Werk zu
Ruhm gelangt, leidet zwar an reichlich talgiger Haut und
eingeschränkter Schauspielkunst, erfreut aber immerhin
durch zeigefreudig-energische Darstellungen. Auch hier macht
es trotz Jovovichs wächserner Mimik durchaus
Spaß, dem Ex-Model zuzusehen, wie es Zombies zwischen
seinen Schenkeln wie Nüsse knackt und "Der will nur
spielen"-Dobermänner effektvoll über den Jordan
schickt.
Milla nun
wacht ohne Kleider und Gedächtnis, nur in einen milchigen
Duschvorhang drapiert, in einem weitläufigen Herrenhaus
auf, nur um gleich nach dem Überwerfen eines
rötlich-enthüllenden Fetzens mit dem zufällig
aufgetauchten Polizisten Matt (Eric Mabius aus Cruel
Intentions mit einer so langweiligen wie emotionslosen
Darstellung) und einer weiteren Person namens Spence von
einer Spezialeinheit unter Führung des routinierten
Colin Salmon gefangengenommen und in einen unterirdischen
Zug verfrachtet zu werden. Salmon als Nummer Eins und seine
Truppe arbeiten für die allmächtige und korrupte
Umbrella Corporation, die mit Rüstungsgeschäften
und Biowaffen ihr Geld verdient. Nach einem tödlichen,
im (Heike Makatsch zeigenden) Vorspann vorgeführten
Zwischenfall mit einem gefährlichen Virus im tief unter
der fiktiven Stadt Raccoon City gelegenen Labor wurde die
Einheit durch den Noteingang im Herrenhaus geschickt, um die
Lage zu klären und notfalls brachial
aufzuräumen.
Kaum hat
man Zeit, sich zu wundern, daß Paul Anderson alle
Möglichkeiten klassischen Horrors und furchtbarer
Überraschungen in den engen Korridoren des Anwesens
leichthin zu Gunsten steriler Laborgänge und
Experimentierräume verwirft, da wird der Zuschauer auch
schon von den penetranten, pseudo-coolen Computergraphiken,
der nadelstichartig immer wieder schmerzhaft aufkommenden
Unlogik und den hölzern-unglaubwürdigen
Schauspielleistungen erschlagen. Einzig Michelle Rodriguez
mit einer Jenette Goldstein-Memorial-Darstellung kann ab und
zu noch so etwas wie Akzente setzen, die aber im
wirr-unübersichtlichen Schnitt, den schlierigen
Bildern, den stumpfen Soundeffekten, der unentschiedenen
musikalischen Untermalung und den vorhersehbaren
Möchtegern-Schreckeffekten schnell untergehen. Dazu kommen die
schlecht in Szene gesetzten, lieblos dekorierten Kulissen,
die schlampige Maske, die ruckligen Computerkreaturen und
die wirr-hektischen Kämpfe, und schon wissen nicht mal
mehr die seltenen Anspielungen auf das Vorbild (der durch
das Fenster brechende Hund, die hier durch einen Licker
paraphrasierte allererste Begegnung mit einem Zombie, die
erste Begegnung mit einem Licker selbst...) zu gefallen.
Einen richtigen Endgegner vermißt der Spielefan im
tumben Monsterreigen außerdem ebenso wie einen
richtigen Dialogautor, einen echten wissenschaftlichen und
militärischen Berater und einen engagierten
Synchronleiter: einzig die sich selbst synchronisierende
Heike Makatsch vermag, aus dem Brei der lustlos nuschelnden
Sprecherleichen wenigstens teilweise hervorzuragen - auch
als Zombie (ein Bösewicht, wer hier behauptet, die
gute Heike könne diese Rolle auch ohne Maske
spielen...).
So reiht
sich eine enttäuschend wenig blutige und uninspirierte
Zombieschlachtszene an die nächste, bis die
erwartungsgemäß stark dezimierte Gruppe endlich
den Weg aus dem Dunkel ans Licht findet, froh wie der
Zuschauer, wenn endlich das letzte Bild von Resident
Evil auf der Netzhaut verblaßt ist und die
Tür des Saales sich geöffnet hat. Hoffentlich zu
einer heimeligeren Stadt als der aus der letzten,
phoney-offenen Einstellung dieses mit interessanten
Ansätzen gestarteten, aber durch schlampig-schlaffe
Umsetzung fast gänzlich verhunzten
Zombiespektakels.
1/2 von 5 Sternen.
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