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Reindeer Games

-- Her mit der Rute! --

Szene aus Reindeer Games

Info über Reindeer Games (USA 2000)

Regie: John Frankenheimer

Darsteller: Ben Affleck, Charlize Theron, Gary Sinise, James Frain, Danny Trejo, Isaac Hayes

Inhalt: Der Knastvogel Rudy gibt sich als sein verstorbener Zellengenosse Nick aus, um an dessen Brieffreundin Ashley ranzukommen, woraufhin die Probleme erst richtig anfangen.

Kritik: Trotz meiner Anti-Synchronisations-Tiraden kann auch ich einige, wenngleich nicht sehr viele Punkte finden, die dafür sprechen, Filme mit einer neuen Tonspur zu unterlegen: vielleicht können so, auch wenn es dem Versuch gleicht, statt Originalpicassos mit dem Kugelschreiber auf Karopapier abgepauste Kopien in den Kunstgalerien aufzuhängen, mehr Menschen die Wunder der Filmkunst nahegebracht werden, und vielleicht können so mehr Menschen den Intentionen des Regisseurs folgen und diese verstehen - denn bekanntlich sprechen und verstehen nicht mehr als etwa ein Drittel aller Deutschen überhaupt Englisch (was, wer hätt's gedacht, die Originalsprache der meisten Filme ist, die in unsere Kinos kommen), und die wenigsten davon auf einem genügend hohen Niveau.
In der Praxis scheitern die hehren Ziele allerdings an der Mangelhaftigkeit der Übersetzung und der erschreckenden Inkompetenz der meist lustlosen oder unpassenden Sprecher. Dazu kommen Praktiken befremdlichster Art, die mich regelmäßig wünschen lassen, daß ich einen oder zwei Atomsprengköpfe besäße: die Ersetzung englischer Originaltitel durch einen neuen englischen Titel ist eine dieser Unarten. Auch John Frankenheimers Reindeer Games, dessen Originaltitel sich auf ein bekanntes Lied mit Rudolph, dem red-nosed reindeer bezieht, ist ein Opfer der neudeutschen Pseudocoolness und wurde mit einem lächerlich nach einer West-Werbung klingenden "deutschen" Titel versehen, den zu nennen ich mir zu schade bin. Mit dieser Neuschöpfung haben es die Synchronisatoren tatsächlich geschafft, mir den Film zu verderben, bevor die (ohnehin auf den Titel beschränkten) Anfangscredits zu Ende waren.

Im Nachhinein betrachtet ist der neue Titel aber noch nicht mal das Schlimmste an diesem Zelluloid gewordenen Kuh-, pardon, Rentierfladen. Die ganze Misere fängt mit der offensichtlichen Fehlbesetzung Ben Afflecks an, der mit seinem ausdruckslosen Milchgesicht und seinem nicht vorhandenen Schauspieltalent vielleicht in eine Seifenoper, aber ganz bestimmt nicht in eine Action-Hauptrolle paßt. Als Knacki wirkt er so ungefährlich-platt wie seine aufgemalten Tätowierungen, und die Chemie zwischen ihm und Charlize Theron erreicht nie auch nur ansatzweise ein höheres Niveau als zwischen zahnspangigen Zehnjährigen, die sich nach dem Flaschendrehen küssen müssen - vielleicht hätte man lieber Afflecks vertrauten "Partner" Matt Damon casten sollen. Dabei bemüht sich die gute Charlize redlich, liefert aber letztlich nur eine durchschnittliche Darstellung ab, bei der ihre Schönheit das einzige ist, was dauerhaft in Erinnerung bleibt. Mit ihrem weich-ebenmäßigen Gesicht, ihren großen Augen, ihrem hier brünett gefärbten und appetitlich drapierten Haar, ihrem bezaubernden Lächeln mit den weißen Zähnen, ihrer sorgfältig ausgewählten Wintergarderobe und ihrer "Nach Dir hat Gott die Form zerbrochen"-Figur sieht sie noch attraktiver als sonst aus.
Leider hat das auch der für das unsägliche Skript (von dem später noch zu sprechen sein wird) zuständige Ehren Kruger (Arlington Road, Scream 3) gemerkt, weswegen er flugs ein paar Nacktszenen reinschrieb, die ob ihrer schablonenhaft-plumpen Brechstangen-Gezwungenheit trotz Charlize nicht aufregend, sondern nur peinlich wirken - wenn man Charlize Theron nur castet, um sie nackt zeigen zu können, auch wenn die Story dies nicht erfordert, dann erweist man nicht nur ihr, sondern auch den Zuschauern einen (ein Schelm, wer hier ein schlüpfriges Wortspiel vermutet) Bärendienst (es sei denn, es gibt Zuschauer, die sich an zusammenhangslos eingefügten Sexszenen delektieren; aber die lesen hoffentlich nicht meine Kritiken...).

Die beiden Hauptdarsteller erweisen sich also als mehr oder weniger große Flops (besonders grausam: Affleck am ultrakitschig-verlogen-unrealistischen "Der Wert von Weihnachten"-Ende), während die Nebendarsteller es nicht vermögen, einen tiefen Eindruck im ständig wehenden Schnee von Reindeer Games zu hinterlassen. Einzig Gary Sinise als psychotisch-böser, langhaariger "Bruder" von Charlize Theron strahlt ansatzweise so etwas wie Gefährlichkeit aus, wirkt aber oft auch nur wie eine noch frustriertere Lt. Dan-Version - selbst die Frisur ist gleich.
All diese gravierenden Mängel ließen sich ja noch ertragen, wenn wenigstens der Rest des Filmes gut wäre. Aber die langweilige Musik, die mit seltsam unwirklich anmutenden und körnigen Großaufnahmen abgefilmten Szenen, die billigen Explosionen (unterirdisch und amateurhaft: die "coole" Wasserpistolenszene), die "Kreatives Schreiben"-Dialoge und die lahm choreographierte und vorhersehbare Action geben auch schmerzresistenten Zuschauern den Rest, zumal Ehren Krugers Drehbuch jedes Körperhaar dazu bringt, sich vor Widerwillen zu sträuben. In seiner völlig überkonstruierten Story paßt nach dem natürlich auf "originelle" Weise alles vorher Gesehene umstoßenden (und absolut unglaubwürdigen) Ende keine Szene mehr zur anderen, und sowohl Therons als auch Sinises Aktionen geben im Nachhinein überhaupt keinen Sinn mehr. Überdies hängt das Gelingen des Plans ohnehin nur von Afflecks zufälligen Entscheidungen ab, die wunderbarerweise genau gemäß den Wünschen der Bösewichte ausfallen. Offenbar hat Kruger vor lauter glühweinselig-dumpfer Weihnachtsstimmung ganz vergessen, seinem Drehbuch wenigstens ein bißchen innere Konsistenz zu verleihen - einzig auf die ultraspießige und heuchlerische Weihnachten-im-Kreis-der-Familie-ist-was-Tolles-Schlußszene scheint er gesteigerten Wert gelegt zu haben, was aber Reindeer Games auch nicht davor bewahrt, zum filmischen Äquivalent einer zu einem Häuflein Asche verkohlten Weihnachtsgans zu werden.

*von 5 Sternen.

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