Kritik:
Trotz meiner
Anti-Synchronisations-Tiraden kann auch ich einige,
wenngleich nicht sehr viele Punkte finden, die dafür
sprechen, Filme mit einer neuen Tonspur zu unterlegen:
vielleicht können so, auch wenn es dem Versuch gleicht,
statt Originalpicassos mit dem Kugelschreiber auf Karopapier
abgepauste Kopien in den Kunstgalerien aufzuhängen,
mehr Menschen die Wunder der Filmkunst nahegebracht werden,
und vielleicht können so mehr Menschen den Intentionen
des Regisseurs folgen und diese verstehen - denn bekanntlich
sprechen und verstehen nicht mehr als etwa ein Drittel aller
Deutschen überhaupt Englisch (was, wer hätt's
gedacht, die Originalsprache der meisten Filme ist, die in
unsere Kinos kommen), und die wenigsten davon auf einem
genügend hohen Niveau.
In der Praxis scheitern die hehren Ziele allerdings an der
Mangelhaftigkeit der Übersetzung und der erschreckenden
Inkompetenz der meist lustlosen oder unpassenden Sprecher.
Dazu kommen Praktiken befremdlichster Art, die mich
regelmäßig wünschen lassen, daß ich
einen oder zwei Atomsprengköpfe besäße: die
Ersetzung englischer Originaltitel durch einen neuen
englischen Titel ist eine dieser Unarten. Auch John
Frankenheimers Reindeer Games, dessen Originaltitel
sich auf ein bekanntes Lied mit Rudolph, dem red-nosed
reindeer bezieht, ist ein Opfer der neudeutschen
Pseudocoolness und wurde mit einem lächerlich nach
einer West-Werbung klingenden "deutschen" Titel versehen,
den zu nennen ich mir zu schade bin. Mit dieser
Neuschöpfung haben es die Synchronisatoren
tatsächlich geschafft, mir den Film zu verderben, bevor
die (ohnehin auf den Titel beschränkten) Anfangscredits
zu Ende waren.
Im
Nachhinein betrachtet ist der neue Titel aber noch nicht mal
das Schlimmste an diesem Zelluloid gewordenen Kuh-, pardon,
Rentierfladen. Die ganze Misere fängt mit der
offensichtlichen Fehlbesetzung Ben Afflecks an, der mit
seinem ausdruckslosen Milchgesicht und seinem nicht
vorhandenen Schauspieltalent vielleicht in eine Seifenoper,
aber ganz bestimmt nicht in eine Action-Hauptrolle
paßt. Als Knacki wirkt er so ungefährlich-platt
wie seine aufgemalten Tätowierungen, und die Chemie
zwischen ihm und Charlize Theron erreicht nie auch nur
ansatzweise ein höheres Niveau als zwischen zahnspangigen Zehnjährigen, die sich nach dem Flaschendrehen
küssen müssen - vielleicht hätte man lieber Afflecks vertrauten "Partner" Matt Damon casten sollen. Dabei bemüht sich die gute
Charlize redlich, liefert aber letztlich nur eine
durchschnittliche Darstellung ab, bei der ihre
Schönheit das einzige ist, was dauerhaft in Erinnerung
bleibt. Mit ihrem weich-ebenmäßigen Gesicht,
ihren großen Augen, ihrem hier brünett
gefärbten und appetitlich drapierten Haar, ihrem
bezaubernden Lächeln mit den weißen Zähnen,
ihrer sorgfältig ausgewählten Wintergarderobe und
ihrer "Nach Dir hat Gott die Form zerbrochen"-Figur sieht
sie noch attraktiver als sonst aus.
Leider hat das auch der
für das unsägliche Skript (von dem später
noch zu sprechen sein wird) zuständige Ehren Kruger
(Arlington Road, Scream 3) gemerkt, weswegen
er flugs ein paar Nacktszenen reinschrieb, die ob ihrer
schablonenhaft-plumpen Brechstangen-Gezwungenheit trotz
Charlize nicht aufregend, sondern nur peinlich wirken - wenn
man Charlize Theron nur castet, um sie nackt zeigen zu
können, auch wenn die Story dies nicht erfordert, dann
erweist man nicht nur ihr, sondern auch den Zuschauern einen (ein Schelm, wer hier ein schlüpfriges Wortspiel vermutet) Bärendienst (es sei denn, es gibt Zuschauer, die sich
an zusammenhangslos eingefügten Sexszenen delektieren;
aber die lesen hoffentlich nicht meine
Kritiken...).
Die beiden
Hauptdarsteller erweisen sich also als mehr oder weniger
große Flops (besonders grausam: Affleck am
ultrakitschig-verlogen-unrealistischen "Der Wert von
Weihnachten"-Ende), während die Nebendarsteller es
nicht vermögen, einen tiefen Eindruck im ständig
wehenden Schnee von Reindeer Games zu hinterlassen.
Einzig Gary Sinise als psychotisch-böser, langhaariger
"Bruder" von Charlize Theron strahlt ansatzweise so etwas
wie Gefährlichkeit aus, wirkt aber oft auch nur wie
eine noch frustriertere Lt. Dan-Version - selbst die Frisur
ist gleich.
All diese gravierenden Mängel ließen sich ja noch
ertragen, wenn wenigstens der Rest des Filmes gut wäre.
Aber die langweilige Musik, die mit seltsam unwirklich
anmutenden und körnigen Großaufnahmen abgefilmten Szenen, die
billigen Explosionen (unterirdisch und amateurhaft: die "coole" Wasserpistolenszene), die "Kreatives Schreiben"-Dialoge und
die lahm choreographierte und vorhersehbare Action geben
auch schmerzresistenten Zuschauern den Rest, zumal Ehren
Krugers Drehbuch jedes Körperhaar dazu bringt, sich vor
Widerwillen zu sträuben. In seiner völlig
überkonstruierten Story paßt nach dem
natürlich auf "originelle" Weise alles vorher Gesehene
umstoßenden (und absolut unglaubwürdigen) Ende
keine Szene mehr zur anderen, und sowohl Therons als auch
Sinises Aktionen geben im Nachhinein überhaupt keinen
Sinn mehr. Überdies hängt das Gelingen des Plans
ohnehin nur von Afflecks zufälligen Entscheidungen ab,
die wunderbarerweise genau gemäß den
Wünschen der Bösewichte ausfallen. Offenbar hat
Kruger vor lauter glühweinselig-dumpfer
Weihnachtsstimmung ganz vergessen, seinem Drehbuch
wenigstens ein bißchen innere Konsistenz zu verleihen
- einzig auf die ultraspießige und heuchlerische
Weihnachten-im-Kreis-der-Familie-ist-was-Tolles-Schlußszene
scheint er gesteigerten Wert gelegt zu haben, was aber
Reindeer Games auch nicht davor bewahrt, zum
filmischen Äquivalent einer zu einem Häuflein
Asche verkohlten Weihnachtsgans zu werden.
von
5 Sternen.
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