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Rear Window

-- Das sind noch Filme! --

Szene aus Rear Window

Info über Rear Window (USA 1954)

Regie: Alfred Hitchcock

Darsteller: James Stewart, Grace Kelly, Wendell Corey, Thelma Ritter, Raymond Burr, Georgine Darcy

Inhalt: Der durch einen Gips an einen Rollstuhl gefesselte Fotograf Jeff beobachtet im Nachbarhaus einen vermeintlichen Mord.

Kritik: Ewiger Dank sei den Hollywood-Restaurateuren! Unbekannte, gute cineastische Seelen, fortan in meine Gebete eingeschlossen, brachten fünf lange erbrechtlich gesperrte Filme Hitchcocks auf, ließen sie liebevoll digital restaurieren und um verlorengegangene Szenen ergänzen, um sie sodann, Manna spendenden Göttern gleich, unter das neuzeitliche Kinovolk zu streuen. Einige dieser Kopien fanden auch den verschlungenen Weg ins rauhe Germanien und ermöglichten mir, dem die "Gnade der späten Geburt" zuteil geworden ist, so, Hitchcocks Werk an dem einzigen Ort zu sehen, an dem man es sehen sollte: im Kino.

Natürlich, für einen von The Matrix und The Fifth Element visuell beschleunigten Menschen wie mich scheint das Erzähltempo von Rear Window geradezu absurd kontemplativ und langsam, dem Hinterhof merkt man manchmal allzu deutlich an, daß er nur im Studio steht, und fehlende Fäkalworte, Nackte und Blutende lassen den Film ab und zu wie einen Kindergeburtstag erscheinen, wozu auch der harmlose Showdown passt.
Mehr als wettgemacht werden diese Zeitgeist-Nachteile allerdings durch die herrlich bunten Technicolor-Farben, die wunderbare, in der Story enthaltene Musik, die die Entwicklung einer Komposition bis zu ihrem Abschluß verfolgt, und den unglaublichen Detailreichtum der einzelnen kleinen Teilgeschichten. Wie in einem überdimensionalen Schaukasten leben die unterschiedlichen Personen, von der attraktiven "Miss Torso" mit ihren Hotpants über die einsame "Miss Lonelyheart" mit ihrem Alkoholproblem bis zum ausdauernden jungen Ehepaar mit so viel Liebe und Humor vorgestellt, daß man nur staunen kann. Eine einzige dieser winzigen, allein durch ihre Gesten und Taten charakterisierten Nebenfiguren hat mehr Persönlichkeit als fünf moderne Filmhelden zusammen. Ohne ein einziges Wort aus ihren Mündern zu hören, bekommt der Zuschauer einen so großen Einblick in das "Leben" dieser Figuren, daß er sich schon fast ganz voyeuristisch vorkommt. Bestärkt wird dieser von Hitchcock natürlich gewollte Eindruck noch dadurch, daß man fast das ganze Geschehen nur aus der durch interessante Kamerafahrten nahegebrachten Fensterperspektive des verletzten Jeff erlebt. Besonders positiv fällt dabei auf, daß die Nebenfiguren selbst dann in ihren Aktionen fortfahren, wenn sie nicht mehr im Fokus der Kamera sind, was zum großen Realismus des Films beiträgt.

Nicht ganz realistisch sind allerdings die Schauspieler: so eine feinnervig-filigrane, humorvolle und genau dosierte Darstellung wie die von James Stewart gibt es in Wirklichkeit genausowenig wie die gesamte Person Grace Kelly. Selbst in der hochgeschlossenen Fifties-Mode strahlt sie, eine der zurecht großen Hollywood-Schönheiten, soviel Sex-Appeal, Sympathie und Wärme aus (und spielt dabei so unglaublich gut), daß das nicht einmal eine Nacktparade von Neve Campbell, Julia Roberts und Winona Ryder toppen könnte. Allein die Szene, in der Grace, "Na, wie seh ich aus?" fragend, ins wunderbare Nachthemd gekleidet, in Jeffs Zimmer tritt, sollte ausreichen, um jeden Zuschauer glückselig lächelnd durch den restlichen Tag stolpern zu lassen. Ein jeder, den dieser Moment nicht berührt, sollte nachsehen, ob er nicht vielleicht eine Frau ist oder schon tot.
Noch dazu ist Rear Window für seine Zeit geradezu ungewöhnlich freizügig. Neben den ständigen Spagat-Aufnahmen der knackigen "Miss Torso" und dem innigen Kuss der Hauptakteure ergeht sich Hitchcock in wiederkehrenden Scherzen über die liebeshungrige frischgebackene Ehefrau vom Apartment gegenüber, die ihren Mann bis zur Erschöpfung schlaucht. Nebenbei tritt er selbst - natürlich - in einem kleinen Cameo auf und läßt Jeffs Pflegerin ungeniert über verstreute Leichenteile parlieren - genug, um das glückselige Lächeln bis in den nächsten Tag hinüberzuretten.

Wenn es nicht vorher von einem gespannten Gesicht abgelöst wird. Denn da der Zuschauer nur sieht, was Jeff sieht, und mit ihm bis zur etwas unvollständigen Auflösung rätselt, ob der Vertreter wirklich seine Frau getötet hat, steigt die Spannung kontinuierlich. Währenddessen entfaltet sich noch der schön ausgearbeitete Subplot, in dem Jeff entdeckt, daß seine Liebste doch mehr als gedacht auf dem Kasten hat. Und so steuert der Film dem logischen Happy-End zu, das den Zuschauer zufrieden zurückläßt, im wohligen Wissen, für diese ewig junge Perle den x-ten Wumm-Bumm-Streifen und die y-te Blabla-Komödie links liegengelassen zu haben.

****1/2 von 5 Sternen.

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