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Harry Potter and the Philosopher's Stone

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Szene aus Harry Potter and the Philosopher's Stone

Info über Harry Potter and the Philosopher's Stone (GB 2001)

Regie: Chris Columbus

Darsteller: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Maggie Smith, Robbie Coltrane, Richard Harris

Inhalt: Der Waisenknabe Harry Potter wird an der Zauberer- und Hexenschule Hogwarts aufgenommen.

Kritik: Die gefährliche, aber preiswerte Disziplin des Trittbrettfahrens ist, zumal in unseren talitubbiewirren Zeiten, derart in Verruf geraten, daß nicht mal mehr das harmloseste Muttersöhnchen sich noch traut, seiner Erbtante Dr. Oetker-Tütchen zu schicken, auf daß sie köstliche Plätzchen büke. The times, they are a-changing. Doch - all movies and no politics makes den Autor a dull boy - der Süden Deutschlands wäre nicht Bayern und die CSU nicht Franz Josef Strauß' ewiger Wiedergänger, wenn sie sich nicht fest wie die Weltesche Yggdrasil jeder Änderung entgegenstellen würde, allem stürmenden Zeitgeist zum Trotz.
So - Sonorus! - kam die große Stunde des Benno Zierer, seine fünfzehn Minuten, sein Gleiten im Windschatten all jener, die Zauberlehrling Potter und seine Schöpferin Joanne K. Rowling wenn nicht wirklich, so doch in Gestalt ihrer Bücher grimmig verbrennen: Okkultismus! Schwarze Magie! Rot-gelbe (!) Schals! Soviel satanische Umtriebe sind für einen rechtschaffenen Abgeordneten aus dem blau-weißen Herzen des Freistaats natürlich so sehr Gift, wie sie für den leichenfahlen Autor und seine ghoulgleichen Freunde Nektar sind. Zur dunklen Mitternacht also in den schwarzen Kinosaal, um eine okkulte Messe zu feiern, auf daß das Geld aus unseren Taschen flösse wie goldenes Blut. Und mit Geistesstärke / Tu ich Wunder auch - Imperio, Leser, und brav weiterlesen!

Alles fängt, und natürlich kann ein Kenner des Buches schon hier und in allem Folgenden nicht umhin, beständig zu vergleichen, abzuwägen, zu rätseln und auf die nächste Szene zu warten, nicht mit einem Morgen bei den furchtbar spießigen und bösartigen Dursleys an, die ihren Neffen Harry in einer Besenkammer unter der Treppe halten, sondern mit Albus Dumbledore, der von Richard Harris liebevoll, aber etwas humorkarg gegeben wird. Zusammen mit der köstlich schmallippigen Maggie Smith als Professor McGonagall und dem wunderbar bärigen Robbie Coltrane als Wildhüter Hagrid legt er den jungen Harry vor die Tür der Dursleys, die nach der Ermordung seiner Eltern durch den bösen Magier Voldemort (Richard Bremmer in einer leider eher langweilig-farblosen Kutte) seine einzigen Verwandten sind. Schon hat John Williams, im Alter offenbar immer harthöriger, eine Gelegenheit gefunden, das Orchester ausdauernd wimmern zu lassen, was sich trotz des schön eingängigen Grundthemas vor allem in eher banalen Szenen bemerkbar macht, die durch die bombastisch-sentimentale musikalische Untermalung gerade so wirken, als sprächen nicht zwei Elfjährige über Schokoladenfrösche, sondern Jupiter und Hades oder mindestens die Chefs von AOL und TimeWarner über das Schicksal der Menschheit.

Zehn Jahre später, nachdem der unwissende Harry zum jungen Daniel Radcliffe herangewachsen ist, leider von ebenso bläßlicher Haut wie Schauspielkunst - halbtalentierte Kinder zu guten Schauspielern zu machen, fällt selbst gestandenen Regiegrößen oft nur zu schwer; um wieviel mehr dann einem (hier dennoch auf unerwartet überraschende Weise meist über sich selbst hinauswachsenden) groben Leinwandkleckser wie Chris Columbus -, wird er von Hagrid salopp über seine Herkunft aufgeklärt und nach dem Kauf seiner Schulsachen in der aufwendigen Kulisse von Londons Diagon Alley (unter anderem mit einem mysteriösen John Hurt als Zauberstabverkäufer Ollivander) in den von Gleis 9 3/4 des Londoner Bahnhofs King's Cross abfahrenden Expresszug zur Hexen- und Zaubererschule Hogwarts gesetzt.
Im Zug lernt der Waisenjunge zum ersten Mal in seinem Leben andere Kinder kennen, die so wie er sind, und mit dem eigentlich zu kleinen Rupert Grint und der im Prinzip zu gutaussehenden Emma Watson betreten zwei Talente die Bühne, in deren Gegenwart auch der fast konturlose Daniel Radcliffe immer zu strahlen scheint: Grint als sarkastisch-freundschaftlicher, am Ende glaubhaft mutiger Ron ergänzt Watson als wunderbar wuschelköpfige, allwissend-naseweise, im Kern aber herzensgute Hermione so glänzend, daß selbst Columbus und sein insgesamt etwas zu ernsthafter Screenwriter Steven Kloves nicht umhin konnten, den beiden sowas wie eine finale Flirtszene zu spendieren, im ungeduldigen Vorgriff auf Kommendes.

Bis es aber zum Kommenden kommt, wollen weitere Schauplätze und -spieler zu ihrem Recht kommen: nach der Willkommensfeier in der liebevoll ausgestatteten großen Halle lernt Harry nach und nach seine weiter erstaunlich gut besetzten Mitschüler wie Neville Longbottom (Matthew Lewis als wahrhaftige menschliche Inkarnation eines so pummeligen wie tolpatschigen Meerschweinchens), Vincent Crabbe, Gregory Goyle und Draco Malfoy (James Waylett und Joshua Herdman als rechte Prototypen moosbedeckter Felsbrocken und Tom Felton als nasskämmend-hochnäsiges rich kid) näher kennen, lernt vom winzigen Professor Flitwick (Warwick Davis, natürlich), wie man Federn explodieren lässt, von der dominanten Madam Hooch (Zoë Wanamaker), wie man auf Besen fliegt, und vom unheimlichen Professor Snape, warum man in seinem Unterricht besser aufpassen sollte. Wenn Snape nämlich - vom wundervollen Alan Rickman in seinen viel zu kurzen Szenen berauschend und präzise gegeben - den unaufmerksamen Potter mit seiner unglaublich tief-melodischen Stimme zynisch zusammenstaucht ("Mr. Potter. Our... new... celebrity."), kriecht auch der Zuschauer wimmernd vor Scham ins hinterste Eck seines Kinosessels, so voll Mitgefühl mit dem armen Harry wie beeindruckt von der tollen Darstellung Rickmans.

Nicht beeindruckt, sondern leider ebenfalls wimmernd wie John Williams' Orchester wird man dagegen die Spezialeffekte zur Kenntnis nehmen, die nicht nur rasante Besenritte, sondern auch dreiköpfige Hunde, Trolle und Schlüssel mit Flügeln so unecht, steril und künstlich wirken lassen, daß man sich einerseits die guten alten Puppen und Modelle zurückwünscht und sich andererseits fragt, ob Columbus wirklich ILM und Sony Pictures Imageworks verpflichtet oder aus lauter Angst vor Überschreitung des kolossalen Budgets nicht doch zu seinem eigenen Computer mit Zeichenprogramm gegriffen hat. Eine solche Arbeitsbelastung würde auch erklären, warum Kloves und Columbus trotz zweieinhalb Stunden Film kaum Zeit finden, köstliche Scherze aus dem Buch zu zeigen, einige Nebencharaktere einzuführen und wichtige Details zu erwähnen, so lange, bis selbst einer von Hagrids Sätzen keinen Sinn mehr ergibt.
Trotzdem finden Harry, Ron und Hermione nach einigen vor allem für kleinere Kinder wahrscheinlich eher gruseligen Passagen genug über den titelgebenden Stein der Weisen heraus, um dessen potentiellem Dieb in einer actiongeladenen, vom begabten John Seale spannend gefilmten und ausnahmsweise sogar tricktechnisch faszinierenden Sequenz auf die Schliche zu kommen, einigen gelungenen stimmlichen Darbietungen zu lauschen und sich schließlich in den überraschenden Endkampf zu stürzen.

Harry Potter and the Philosopher's Stone wäre natürlich kein Kinderfilm, wenn am Schluß trotz voriger Gefahren nicht doch alles gut ausginge, und so bricht Harry nach einer erklärend-beruhigenden, aber stark verkürzten Rede Dumbledores endlich in einen langen Sommer, den Abspann und direkt in die Fortsetzung auf, die so sicher kommt wie die Dollarzeichen in den Augen der Studiobosse beim Gedanken an weitere Merchandise-Milliarden. Fragt sich nur, ob der greenback sich auch in Zukunft noch mit einem Jungen verträgt, der in Sickles und Knuts rechnet - daß der vorliegende Film trotz aller Nachlässigkeiten noch gut geworden ist, bleibt nicht dem Auftragsarbeiter Columbus, seinem sklavischen Drehbuchautor oder dem Hauptdarsteller zu verdanken, sondern den inspirierten Nebendarstellern und, esprit de l'escalier, dem Buch.

***1/2 von 5 Sternen.

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