Kritik:
Im China noch des
späten 19. Jahrhunderts wurden Frauen im zarten
Kleinkindsalter die Füße gebrochen und mit
Tüchern schmerzhaft gebunden, auf daß jene
zeitlebens winzig blieben und für einen erotischen
Trippelschritt sorgten. Zur selben Zeit quetschte man
Europäerinnen die Organe mit Gerüsten aus
Fischbein und Afrikanerinnen die Hälse mit sich stetig
verjüngenden Ringen ein - die Geschichte des
kulturbestimmten Ideals von Schönheit ist immer auch
eine Geschichte schrecklicher Leiden.
In der heutigen, nicht minder von willkürlichen
Wunschvorstellungen bestimmten Zeit, übernehmen derlei
Folterungen Chirurgen und Menschenbildner in aseptischen
Operationssälen; nur kommt man auch bei aller
klinischen Sauberkeit und angeblichen Komplikationsfreiheit
nicht umhin, sich zu fragen, ob die Leiden sich nur in ein
neues, blitzendes Gewand geworfen haben, tief drinnen aber
grimmig wie eh und je wirken.
Wie anders
wäre das beständig verquälte Gesicht der
sonst so strahlenden "and introducing" Julia Roberts in Steven Soderberghs
neuestem Werk Ocean's Eleven zu erklären?
Freilich hat die fröhliche Großverdienerin
bereits in weit besseren Filmen wie etwa Soderberghs
Meisterstück Erin Brockovich mitgespielt, aber
auch in viel schlimmeren Machwerken wie Pretty Woman.
Auch ihre illustre Mitspielerschar von George Clooney
über Brad Pitt bis zu Andy Garcia, ihre erlesene
Filmgarderobe und ihr begabter Regiefreund Soderbergh
können sich jederzeit sehen lassen.
Wir müssen also, wollen wir Roberts' offensichtliches
Unwohlsein ergründen, versuchen, tief in ihr Inneres,
gleichsam hinter ihre Stirne zu blicken. Der Blick schweift
also Julias hier reichlich mageren Leib hinauf, bleibt - der
Zuschauer ist ein Gentleman - nirgendwo hängen und
erreicht schließlich ihre hohe, makellose Stirn... um
sofort wieder zu der wuchernden Bockwurst
zurückzukehren, die ihre offenbar in Betriebsferien
befindliche Oberlippe vertritt. Dieses verquollene
Überbleibsel eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Angelina
Jolie-Lookalike-Wettkampfes wirkt, zumal in Roberts'
neuerdings seltsam eingefallenem Gesicht, so deplaziert und bizarr, daß man nicht weiß, ob man sich nun
ekeln, ihren Fleischbildhauer verklagen oder die arme Frau
einfach nur bemitleiden soll. Roberts' niedervoltiger
Darstellung jedenfalls schadet der leuchtend rosane
Fleischbatzen mehr, als ihr zu nutzen.
Wären
Julia Roberts' Lippen das einzige Problem von Ocean's
Eleven, könnte der Zuschauer so
großzügig darüber hinwegsehen wie über
die ganz kurz sichtbare Studioeinrichtung in Stanley
Kubricks göttlichem Meisterwerk 2001: A Space
Odyssey. Aber trotz beeindruckender Starbesetzung, einem
atmosphärischen Schauplatz und einem im Prinzip
spannend-lässigen Plot schafft es der talentierte
Regisseur, aber als Kameramann sichtlich überforderte
und zu nicht mehr als stereotypen Einstellungen fähige
Steven Soderbergh nicht, sein Remake des gleichnamigen
Rat Pack-Streifens von 1960 fesselnd zu machen.
Dabei läßt sich Ocean's Eleven noch
vergleichsweise gut an: der charmante Verbrecher Daniel
Ocean, der jahrelange Gefängnisaufenthalte ohne
sichtbare Verschleißerscheinungen auf einer
Hinterbacke absitzt, kommt frei und beginnt (stets
hervorragend gekleidet), seinen nächsten großen
Coup zu planen. George Clooney spielt diesen Danny Ocean
zwar nicht mit sehr viel Verve, aber mit Stil,
tatkräftig unterstützt von einem unterforderten,
aber natürlich dennoch coolen Brad Pitt als
ständig futterndem Rusty Ryan. Ocean gabelt Ryan bei
einer Runde Poker mit (unter anderem) den sich selbst
veräppelnden Jungstars Joshua Jackson, Holly Marie
Combs und Topher Grace auf, um mit ihm neun Gefolgsleute
für einen Einbruch in den Tresor der drei Kasinos des
schmierigen Terry Benedict auszusuchen. Wird einem schon
hier vor lauter Namen, cleveren Insideranspielungen und
allzu forciert schlagfertigen Dialogen schwindlig, so
verliert man spätestens bei der Einführung des
siebten Einbrechers endgültig den Überblick: so
sehr Carl Reiner, Scott Caan, Bernie Mac, Casey Affleck,
Shaobo Qin, Matt Damon, Don Cheadle, Elliott Gould und
Edward Jemison sich auch anstrengen mögen (nicht
allzusehr) - im wirren Reigen der immer neuen Gesichter
sticht keines erinnerungswürdig hervor; einzig Reiner
und Gould bleiben etwas positiv im Gedächtnis,
während Damon ohne seinen kongeni(t)alen Partner Ben
Affleck (Casey Afflecks bekannterer Bruder) wie
gewöhnlich leichenblass durchs Bild
kraucht.
Trotz aller
schauspielerischen Defizite schaffen die ungleichen Kollegen
es aber, einen so gewagten wie schlauen Einbruchsplan
auszuhecken, dem präzisen Andy Garcia als kalt-bösartigem Terry
Benedict erfolgreich auf der Nase herumzutanzen und nebenbei
noch beständig aufreizend nonchalant auszusehen. Leider
vergessen alle Beteiligten vor lauter Coolness, auf die
elementarsten Gesetze der Logik zu achten, zu erklären,
was die ununterbrochen wundersam aus dem Nichts
auftauchenden teuren Geräte und Werkzeuge denn nun
eigentlich vermögen, und sich so zu verhalten, als
brächen sie wirklich in einen atomschlagsicheren Bunker
und nicht nur in eine Bonbonbfabrik ein. Der Diebstahl
gestaltet sich schließlich sogar so einfach, daß
George Clooney nicht nur im Kasino gewinnen, sondern sich
auch mehrmals mit Genuß verprügeln lassen und die
zerrüttete Beziehung zu seiner Exfrau (Roberts) im
Handumdrehen zu Claude Debussys zwar romantischen, aber unpassenden
Klängen kitten kann. Vielleicht muß das so sein,
wenn man Clooney ist und auf die Frage, ob
man im Knast wenigstens der Bräutigam war, zur Antwort
nur über das geschmacklose Hemd des Fragers
lästert, aber dem handwerklich bieder-unsauberen,
schlecht durchdachten und teils lustlos gespielten
Ocean's Eleven tut er so keinen Dienst - der Film ist
so locker, daß ihm fast alle Glieder
abfallen.
1/2 von 5 Sternen.
|