Kritik:
Jetzt also auch
John Woo. Die seltsame Unfähigkeit oder Unwilligkeit
moderner Hollywoodregisseure, Filme zu drehen, die
kürzer als 120 Minuten sind, hat nun auch die
Hong-Kong-Actionlegende Woo erfaßt. In einem Zeitraum,
in dem frühere Regisseure noch ausgefeilte Akteure in
einer tollen Story aufs Genaueste erforscht hätten,
reicht die Zeit heutzutage nicht mal mehr, um wenigstens ein
paar klischeehafte Charakterattribute zu zeigen. Traurig,
traurig.
Die modern-schnellebige Oberflächlichkeit fand bei
meinem Kinobesuch weiteren Ausdruck in der beispiellosen
Auslassung des halben Abspannes, um die wartenden Besucher
der Spätvorstellung früher reinlassen zu
können. Diese Vorgehensweise, mir bisher nur aus dem
Fernsehen bekannt, versetzte mich derart in Rage, daß
ich fast meine gesamten Chips wieder aufgestoßen und
wutschnaubend auf den Vorführer eingedroschen
hätte. Aber die glaubhafte Versicherung, daß das
ein einmaliges Versehen wäre, brachte mich in meine
gelöste Grundstimmung zurück, die durch das
passable, zumindest zum Teil mit den verkorksten ersten
neunzig Minuten versöhnende Ende von
Mission: Impossible II bewirkt wurde.
Aber der
Reihe nach: der Anfang mit einem muskulös an einer Mesa
heraufkletternden Tom Cruise, der zum einen allzu sichtbar
an einem wegretuschierten Seil hängt, zum anderen
völlig unrealistisch hyperathletisch von Vorsprung zu
Vorsprung springt, läßt nichts Gutes erahnen.
John Woo ist nicht gerade bekannt für physikalisch
korrekte Action-Eskapaden, da er weiß, daß
keiner außer ein paar pedantischen Professoren danach
fragen wird. Aber man kann den Bogen auch überspannen:
hier fliegt Tom Cruise wie weiland James Bond in
GoldenEye und stellt so gleich am Anfang klar,
daß er übermenschliche Kräfte hat und nicht
an die Regeln der Logik gebunden ist. Vielleicht geht diese
Änderung ja sogar auf das Konto von Cruise selbst, der
als Hauptdarsteller/Mitproduzent/Coautor/an den
Einspielergebnissen Beteiligter Woo gerüchteweise zum
Statisten degradiert hat. Denn die penetrante,
unaufhörliche und schlußendlich ätzende
Zelebrierung des Heros Cruise und seines bekannten
Lächelns in endlosen Großaufnahmen sieht ganz so
aus, als hätte Cruise auch noch beim Cut Hand angelegt,
um seinen Egotrip bestmöglich zu verwirklichen. Seine
im Vergleich zu seinen Ausflügen ins ernsthafte Fach
- Eyes Wide Shut und Magnolia - unendlich viel
schlechtere und steifere Darstellung konnte er so aber auch
nicht mehr retten.
Hätte
Cruise wenigstens gute Mitspieler, dann fiele seine schwache
Leistung nicht so negativ auf. Aber Anthony Hopkins als
stereotyp langweilender Boss, Dougray Scott als
08/15-Böser-Agent ohne Charisma und nachvollziehbares
Motiv, Brendan Gleeson als skrupelloser Abziehbild-Magnat
und Ving Rhames als Quotenschwarzer, über den gelacht
werden darf (Hollywood erklärt uns die Welt), bewegen
sich auf dem gleichen niedrigen Niveau. Untertroffen werden
sie nur noch von Thandie Newton, die bisher vor allem in
ambitionierten Filmen zu sehen war. Aber weil zu einer
richtigen Schauspielerkarriere auch ein tumber
Bumm-tschakka-tschakka-Film gehören muß,
entschloß sie sich, die Rolle der Schablonen-Nyah
anzunehmen. Völlig lustlos und mit dem Bewegungsradius
einer Schaufensterpuppe strahlt sie soviel Sex-Appeal aus
wie eine drei Wochen alte Tennissocke. Dazu kommen die
Niedrige-Altersfreigabe-Hürden (Bettdecke nach der
Liebesnacht bis zum Kinn hochgezogen, Küsse mit
halbgeschlossenem Mund...) und die Klischees aus Lektion 3
von "Wie schreibe ich ein Drehbuch" (Cruise rettet Newton
das Leben, worauf sie sich in ihn verliebt und mit ihm
schläft; Newton erkrankt, worauf Cruise das Heilmittel
besorgen muß; Newton wird als hübscher Köder
eingesetzt, da nur die Männer die harte Arbeit machen
können...), und fertig ist die Retorten-Schöne,
die sich an den Helden ranschmeißt.
Dieser darf
sich zu gelungener Musik und Woo-typischer, interessanter
Kamera mit einer oder zwei Kanonen und einigen Tauben durch
die Story ballern. Aber erst am Ende - zuvor wird der
dünne Plot in zähen, abgedroschenen
(Dreiecks-Lovestory ohne zwischenmenschliche Chemie,
Flamenco-Spanier, Känguruh-Australier, Computer ohne
Mäuse...), nachgemachten (Masken, Einbruch am
Seil...) und unspannenden (der Bösewicht droht, seinem
Thug den kleinen Finger zu ritzen - ich bin entsetzt!) Szenen
solange ausgewalzt, bis er flach ist wie der Horizont der
Drehbuchautoren. Das sind seltsamerweise Brannon Braga und
Ronald D. Moore, die früher für zahllose
großartige Star Trek: The Next Generation-Folgen
verantwortlich zeichneten. Ausgerechnet diese zwei
eigentlich kreativen Köpfe schludern hier eine
verworrene, überlange und verquaste Geschichte hin, die
sich am Ende doch auf den Satz "Die Bösen dürfen
X nicht kriegen, sonst zerstören sie die Welt"
reduzieren läßt. Und zu allem Überfluß
haben die beiden auch noch die logischen Fehler aus Star
Trek mitgebracht: da bekanntlich alle Menschen exakt
denselben Metabolismus haben, dauert es nach einer viralen
Infektion auch immer exakt zwanzig Stunden, bis keine
Heilung mehr möglich ist. Eine Sekunde vorher bleiben
keinerlei Folgeschäden - eine Sekunde nachher ist man
zum Tode verdammt. So erklärt Hollywood uns auch noch
die Biologie.
Und die
Schwerkraft. Und die Mechanik. Und was sonst noch so zur
Physik dazugehört. In den letzten dreißig Minuten
nämlich, als endlich die von Woo gewohnt
fetzig inszenierte Action losgeht. Da stört dann auch
nicht mehr, daß Cruise im Kugelhagel noch - soviel Zeit
muß sein - seine Sonnenbrille aufsetzt, oder daß
die Motorräder nur deshalb herumfahren, damit Cruise
sich eins schnappen kann, oder daß die feindlichen
Autos schon beim ersten Blechschaden in die Luft fliegen wie
eine ganze Tankstellenkette, oder daß ein Jeep
schneller als ein Motorrad beschleunigt, oder daß die
bösen Schützen ganze Magazine verfeuern, ohne
einmal zu treffen, während Cruise mit einem
Schuß, verkehrtherum auf dem Motorrad sitzend,
fünf Böslinge auf einmal auslöscht, oder
daß Cruise - angeblich sogar selbst - völlig
unmögliche Stunts macht. Alles im normalen, die
Zuschauer für dumm haltenden Rahmen.
Außerhalb
des normalen Rahmens sind dann aber doch die Szenen, in
denen Cruise tödliche Explosionen überlebt oder
sich stundenlang prügelt, ohne daß eine Schramme
zu sehen ist. Wie schon in der Kritik zu Fight Club
besprochen, glaube ich, daß die völlig
verharmlosende und blutarme Darstellung von Prügeleien
in Filmen die Leute dazu verleitet, zu glauben, eine
Schlägerei wäre harmlos. Und daß der Held
immer großmütig und milde ist, gehört wohl
auch in den Bereich der Mythologie.
Aus der Mythologie stammt auch der einzige kulturell
brauchbare Aspekt von Mission: Impossible II:
daß Bellerophon ein griechischer Held war, der Chimera
getötet hat, konnte ich nicht vorhersehen - im Gegensatz
zum Rest des Films.
1/2 von 5 Sternen.
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