Kritik:
Nach dem
schrecklichen, sich selbst ernstnehmenden, in
philosophisch-kitschigen Sonnenuntergangsdialogen versinkenden Zeitgeistmüll GoldenEye war ich nur mit den
allerniedrigsten Erwartungen in Tomorrow Never Dies
gegangen. Aber siehe da, das ist ja ein guter Film! Roger
Spottiswoode hat sich von allem pseudo-moralischen Ballast
befreit, der sich in den letzten fünfzehn Jahren in den
immer schlechter werdenden Bond-Filmen angesammelt hatte,
und hat es geschafft, ein explosives Kabinettstückchen in
der besten Tradition der frühen Bonds auf die Beine zu
stellen. Daß Michael Apted mit dem nächsten Film
wieder in die andere Richtung und damit voll an die Wand
gefahren ist, steht in einer anderen Kritik.
Aber
Tomorrow Never Dies hat noch alles, was der Bond-Fan
verlangt: kühle Drinks, teure Anzüge, dicke Autos
und große Uhren, in einer beispiellos plumpen
Product-Placement-Aktion ständig medienwirksam ins Bild
geschoben. All diese Accessoires und die wie immer
köstlich zelebrierten, originellen Gimmicks aus Qs
Bastelstube braucht der Welt liebster Superagent auch, denn
ein herrlich verrückter Bösewicht, von Jonathan
Pryce ironisch und humorvoll gespielt, will die
Weltherrschaft erringen und bedient sich dazu eines
muskulösen Superthugs, von Götz Otto genau richtig
schwarzeneggerhaft steif porträtiert. Auf dem wie immer
geradlinigen Briefing-bei-Q-Nachforschung-Aufbruch-zur-geheimen-Station-des-Bösewichts-Weg
muß Pierce Brosnan, der einmal in seinem Leben
sympathisch, glaubhaft und witzig spielt, durch das Bett von
Teri Hatcher, die zwar sehr schön aussieht, aber wenig
leistet. Exotische und schön gefilmte Orte wie Hamburg
oder das Südchinesische Meer besucht der
Super-Staatsdiener natürlich auch, begleitet von
manchmal etwas zu forciert lockeren Sprüchen und einem
eher durchschnittlichen Actionscore.
Ja, die
Action: ob Autojagd in Hamburg oder Motorradjagd in Vietnam
- immer sind die Stunts und Sprünge dynamithaltig, schön
choreographiert, originell und vor allem spannend. Daß
manches Naturgesetz dabei unter den Tisch fällt oder
daß die Bösewichte auch mit einer Schiffskanone
nichts treffen würden oder daß Schlägereien
keine Spuren hinterlassen, sind wir ja schon immer
gewohnt.
Ungewohnt ist allerdings die prima gespielte Rolle von
Michelle Yeoh, einer (nicht gebürtigen)
Hongkong-Schönheit, die mit später ironisierten
Kung-Fu-Szenen zeigt, daß sie ihre Stunts selbst
macht. Sie konkurriert nicht nur mit dem britischen
Top-Agenten, sondern widersetzt sich sogar - unglaublich - bis zum Schluß seinem Charme. Gleichberechtigt und
streitend fliehen die beiden in der furiosen Motorradszene,
und es wird klar, daß Bond schon längst einen
solch starken, ihn selbst konterkarierenden Gegenpart
gebraucht hätte. Denn so hat Roger Spottiswoode nicht
nur Zeit für eine kleine Liebesgeschichte, sondern auch
für einige gehässige "Wie
lächerlich"-Bemerkungen des Bösewichts, die den
Film daran hindern, in den letzten Szenen in naheliegende
Klischees abzurutschen.
Trotz
dieser erfrischend prickelnden Neuerungen aber ist am Ende
natürlich wieder alles beim Alten: Bond und seine Gespielin lassen sich von ihren Rettern suchen, und der Bösewicht
verliert und vervollkommnet so die Satire auf die moderne
Mediengesellschaft, die der selbstironische und
hintergründige Tomorrow Never Dies nämlich auch
noch ist. Überraschend!
   von 5 Sternen.
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