Kritik:
Es entbehrt nicht
einer gewissen Ironie, daß die schönsten und
besten Werbespots vor diesem die Tabakindustrie anklagenden
Film immer noch die Rauchfilmchen sind. Vom Betthupferl-Camel bis zur ästhetischen
Marlboro-See-Werbung stellen die Nikotinhersteller alle
langweiligen Langnese-Spots in den unausgeleuchteten
Schatten der letzten Sitzreihe.
Dafür
wird im ganzen Film nur einmal eine Zigarette geraucht, am
Anfang, von einem Araber, als Al Pacino als todesmutiger
Starreporter zu einem Bin-Laden-Scheich durch ein
klischeehaftes nahöstliches Stadtviertel fährt.
Mit einer von vielen extremen Nahaufnahmen und einem der
vielen extrem guten Musikstücke führt Michael Mann
den Film ungewöhnlich ambitioniert ein und schafft es
sogar, dieses Niveau bis zum etwas zu happyigen,
versöhnlichen Ende zu halten. Weite, interessant
ausgeleuchtete Szenerien wechseln mit detailreichen
Panoramaaufnahmen, intensiven Kammerspielen und packenden
emotionalen Nahaufnahmen, die manchmal jedoch etwas zu
selbstverliebt präsentiert werden.
Aber wenn
ich Michael Mann wäre, wäre ich vielleicht
ähnlich verfahren. Denn das eher dröge und auf den
ersten Blick nicht unbedingt für einen großen
Film geeignete Thema wird dank der atemberaubenden
Inszenierung, dem gelungenen Drehbuch, den kräftigen
Dialogen und vor allem durch die Leistungen der
großartigen Schauspieler dennoch zu einem spannenden
Leinwandstoff.
Al Pacino als energischer, erfahrener und integrer Reporter
harmoniert exzellent mit Christopher Plummer als honorigem
Starinterviewer und liefert eine noch bessere Leistung als
sonst ab, spielt aber manchmal für einen einfachen Reporter fast
schon zu präsent. Ihm gegenüber: Russell
Crowe als wunderbar zuerst ohnmächtig bedrohter, dann
mutig auspackender Insider, der mit einer faszinierend
nuancierten, unterkieferbetonten Darstellung zwischen
Jähzorn, Zärtlichkeit und Ohnmacht zeigt,
daß das Wort "Schauspieler" auch in Hollywood noch
nicht wie "Holzmaske" buchstabiert werden
muß.
So wird
The Insider trotz fehlender Explosionen zu
einem prima präsentierten und erzählerisch
fesselnden Charakterfilm, der allerdings nicht mehr
unbedingt viel mit dem zugrundeliegenden Thema zu tun hat.
Wer also eine scharfe und vernichtende Anklage gegen die
üblen Machenschaften der Tabakindustrie erwartet, ist
hier fast so schief gewickelt wie eine selbstgedrehte
Zigarre. Wer sich aber daran nicht stört und tolle
Schauspieler in einer ebensolchen Inszenierung sehen will,
der geht am besten jetzt gleich ins nächste
Kino: "Tarzan wollen Karte!"
von 5 Sternen.
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