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Hollow Man

-- Wer oder was ist hier "hollow"? --

Szene aus Hollow Man

Info über Hollow Man (USA 2000)

Regie: Paul Verhoeven

Darsteller: Kevin Bacon, Elisabeth Shue, Josh Brolin, Joey Slotnick, Kim Dickens, William Devane

Inhalt: Ein Wissenschaftler testet ein Unsichtbarkeitsserum an sich selbst, kann aber nicht wieder zurückverwandelt werden.

Kritik: Manchmal würde ich mehr als nur einen Penny für die Gedanken mancher berühmter Regisseure geben. Meint Roland Emmerich seinen Hurrapatriotismus und seine "Gewalt-löst-alles"-Propaganda wirklich ernst? Wohin ist Ridley Scotts Talent nach 1982 verschwunden? Wie sehen David Finchers Alpträume aus? Und was hat sich Paul Verhoeven mit Hollow Man gedacht? Das niederländische Regiegenie zählt dank seiner kompromißlosen, misanthropisch-zynischen Gewalt- und Actionkracher zu meinen Lieblingsregisseuren, und bisher konnte ich noch jedem seiner Filme einige gute Seiten abgewinnen. Bei Hollow Man allerdings fiel das ungewöhnlich schwer.

Manchmal wirkt der Film wie ein Werbevideo für Sonys Spezialeffekteabteilung, so sehr werden die Unsichtbarkeitstricks in den Vordergrund gestellt. Der arme Kevin Bacon mußte monatelang Masken und Ganzkörperanzüge in allen Farben tragen, damit sein Körper im Nachhinein wegretuschiert werden konnte, und er wurde mit allen erdenklichen Geräten vermessen und gescannt, um die Detailtreue seines Computerdoubles zu garantieren. Daß im Nachhinein doch nur seine erstaunlich oft gezeigte Intimzone (eine Art running gag in vielen Bacon-Filmen) im Gedächtnis bleibt, liegt weniger an Bacon selbst als am Skript, das den Unsichtbaren zwanghaft in immer neue Schauplätze hineinschreibt, in denen die Tricks möglichst gut zur Geltung kommen sollen: ob unter der Sprinkleranlage, im Swimmingpool oder im Zigarrenrauch - immer wieder soll der Zuschauer staunend dorthin blicken, wo das Nichts kunstvoll inszeniert wird. Leider wird damit nur der gegenteilige Effekt erreicht: der F/X-Overkill führt dazu, daß man am Ende nur mehr gelangweilt die Trickeinstellungen über sich ergehen läßt, obwohl sie durchaus professionell, weitgehend flüssig und glaubwürdig gemacht sind.
Viel drastischer sind dagegen die unglaublichen "Körperwelten"-Shots, in denen zuerst ein Gorilla und dann Bacon nach und nach verschwinden und/oder wieder erscheinen. Vom Blutkreislauf über das Skelett und die Muskeln bis hin zur Haut bauen sich die verschiedenen, anatomisch und medizinisch korrekt dargestellten Körperschichten überaus eindrucksvoll auf und ab - ihre Herkunft aus dem Computer können sie aber aufgrund ihres manchmal zu steril-glatten Aussehens nicht ganz verleugnen, und manche Bewegung wirkt auch nicht ganz lebensecht.

Diese penible Untersuchung der Spezialeffekte ist bei Hollow Man durchaus angebracht, da der Film sonst, gemessen an Verhoevens sonstigen Werken, nicht viel bietet. Die Kamera des weiterhin genialen Jost Vacano ist realistisch und detailreich wie immer, der Schnitt ist umwerfend, Verhoevens Regie ist gekonnt und hat ein gewohnt überragendes Timing, und der Track des Fließbandkomponisten Jerry Goldsmith ist zwar nicht sehr originell, aber zumindest brauchbar. Und die Schauspieler - darunter die attraktive Elisabeth Shue und der eher nervige Josh Brolin - geben sich durchaus Mühe, wobei vor allem Kevin Bacon (in seinen sichtbaren Momenten) als unsympathisch-egomanischer Wissenschaftler positiv auffällt. Ein paar weitergehende Implikationen gibt es auch noch, als der unsichtbare Bacon mit seiner "Gabe" nichts anderes anzufangen weiß, als seine Nachbarin (das großbusige, aber schauspielerisch untalentierte Ex-Lara-Croft-Model Rhona Mitra) zu vergewaltigen (ein recht abrupter, aber so beabsichtigter Schnitt läßt den Zuschauer hierüber allerdings weitgehend im Unklaren) und seiner Ex-Freundin (Shue) nachzustellen. Endlich einmal zeigt ein Hollywoodfilm hier, was wirklich passiert, wenn Menschen in Situationen geraten, in denen sie keinerlei Verantwortung mehr für ihre Taten übernehmen müssen: sie laufen Amok. Ist es nämlich wirklich wahrscheinlich, daß bei einer bevorstehenden Zerstörung der Erde durch einen Asteroiden (wie in - genau, genau! - Armageddon) niemand auf die Idee kommt, plündernd und zerstörend durch die Städte zu ziehen? Wer soll einen nach dem Ende der Welt, oder wenn man sich selbst nicht mehr im Spiegel betrachten muß (ein aus der antiken Philosophie entlehntes Motiv), oder wenn ein Tag immer wieder beginnt (wie in Groundhog Day), überhaupt noch zur Rechenschaft ziehen? Nur sehr optimistische Menschenfreunde und offenbar einige Filmemacher glauben, daß der Großteil der Menschen so besonnen ist, im Angesicht der Apokalypse Ruhe und Anstand zu bewahren.

Aber trotz dieser erfrischend pessimistischen Herangehensweise (Bacon tötet sogar - was für eine Filmsünde - einen kleinen Hund) verspielt Hollow Man die gewonnenen Sympathien durch das hanebüchene Drehbuch (die "hollow = hohl"-Analogien spare ich mir hier lieber), das zielgenau nicht ein Verrückter-Wissenschaftler-Klischee und kein mögliches Plothole ausläßt: die Unsichtbarkeits- und Sichtbarkeitsseren sind natürlich farblich wohlunterschieden, damit jeder merkt, daß es sich um zwei unterschiedliche Wirkstoffe handelt, das natürlich unterirdische und vom Pentagon gesponserte Labor ist nur über einen mehrfach gesicherten Aufzug zu erreichen, die Computer haben zwar fortschrittliche LC-Displays, aber natürlich keine Mäuse, damit die Helden "professionell" auf der Tastatur klappern können, die weiblichen Wissenschaftler sind natürlich ausnahmslos hyper-attraktiv und kleiden sich nur in hautenge, halb geöffnete Tops (Bacons Unsichtbarkeit bringt wenigstens einen neuen Kick in die Szene, als er die Brust seiner Kollegin massiert), Josh Brolin verabreicht einem Gorilla (!) eine Spritze, indem er in den Käfig steigt (?), sowohl Bacon als auch Shue sind, wenn Not am Mann ist, erfindungsreicher als McGyver (wie man aus einem - hier natürlich wie in vielen anderen Filmen auch fälschlicherweise bei Herzstillstand eingesetzten - Defibrillator, einem Schubladengriff und ein paar Metern Kabel in der Realität einen starken Elektromagneten bastelt, möchte ich sehen), und einige Charaktere stecken mehr tödliche Verletzungen (Stromschläge, Explosionen, Durchbohrungen...) ein als jeder Terminator - die gute alte "Reiß Dich stark genug zusammen, dann hören die inneren Blutungen schon auf"-Methode feiert in Hollow Man Urstände. Immerhin ist die abschließende Action recht ordentlich, spannend und schonungslos inszeniert, obgleich es einen lächerlichen Coole-Sprüche-Showdown und ein extrem unrealistisches und dadurch frustrierendes Happy-End gibt.

Zusammenfassend also schafft es Hollow Man nicht, seinen zivilisationskritischen Ansatz durchzuhalten und versinkt vor allem gegen Ende in Drehbuchlöchern und Nachlässigkeiten. Ein anspruchslos-geradliniger, aufwendig gemachter, tricktechnisch innovativer und passabel gespielter Actionschocker ist Paul Verhoevens neuestes Werk dennoch, aber zumindest ich erwarte von diesem Regisseur deutlich mehr.

**1/2 von 5 Sternen.

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