Kritik:
Manchmal
würde ich mehr als nur einen Penny für die
Gedanken mancher berühmter Regisseure geben. Meint
Roland Emmerich seinen Hurrapatriotismus und seine
"Gewalt-löst-alles"-Propaganda wirklich ernst? Wohin
ist Ridley Scotts Talent nach 1982 verschwunden? Wie sehen
David Finchers Alpträume aus? Und was hat sich Paul
Verhoeven mit Hollow Man gedacht? Das
niederländische Regiegenie zählt dank seiner
kompromißlosen, misanthropisch-zynischen Gewalt- und
Actionkracher zu meinen Lieblingsregisseuren, und bisher
konnte ich noch jedem seiner Filme einige gute Seiten
abgewinnen. Bei Hollow Man allerdings fiel das
ungewöhnlich schwer.
Manchmal
wirkt der Film wie ein Werbevideo für Sonys
Spezialeffekteabteilung, so sehr werden die
Unsichtbarkeitstricks in den Vordergrund gestellt. Der arme
Kevin Bacon mußte monatelang Masken und
Ganzkörperanzüge in allen Farben tragen, damit
sein Körper im Nachhinein wegretuschiert werden konnte,
und er wurde mit allen erdenklichen Geräten vermessen
und gescannt, um die Detailtreue seines Computerdoubles zu garantieren. Daß im Nachhinein doch nur seine
erstaunlich oft gezeigte Intimzone (eine Art running
gag in vielen Bacon-Filmen) im Gedächtnis bleibt,
liegt weniger an Bacon selbst als am Skript, das den Unsichtbaren
zwanghaft in immer neue Schauplätze hineinschreibt, in
denen die Tricks möglichst gut zur Geltung kommen
sollen: ob unter der Sprinkleranlage, im Swimmingpool oder
im Zigarrenrauch - immer wieder soll der
Zuschauer staunend dorthin blicken, wo das Nichts kunstvoll
inszeniert wird. Leider wird damit nur der gegenteilige
Effekt erreicht: der F/X-Overkill führt dazu, daß
man am Ende nur mehr gelangweilt die Trickeinstellungen
über sich ergehen läßt, obwohl sie durchaus
professionell, weitgehend flüssig und glaubwürdig gemacht
sind.
Viel drastischer sind dagegen die unglaublichen
"Körperwelten"-Shots, in denen zuerst ein Gorilla und
dann Bacon nach und nach verschwinden und/oder wieder
erscheinen. Vom Blutkreislauf über das Skelett und die
Muskeln bis hin zur Haut bauen sich die verschiedenen,
anatomisch und medizinisch korrekt dargestellten
Körperschichten überaus eindrucksvoll auf und ab -
ihre Herkunft aus dem Computer können sie aber aufgrund
ihres manchmal zu steril-glatten Aussehens nicht ganz
verleugnen, und manche Bewegung wirkt auch nicht ganz
lebensecht.
Diese
penible Untersuchung der Spezialeffekte ist bei Hollow
Man durchaus angebracht, da der Film sonst, gemessen an
Verhoevens sonstigen Werken, nicht viel bietet. Die Kamera
des weiterhin genialen Jost Vacano ist realistisch und
detailreich wie immer, der Schnitt ist umwerfend, Verhoevens
Regie ist gekonnt und hat ein gewohnt überragendes
Timing, und der Track des Fließbandkomponisten Jerry
Goldsmith ist zwar nicht sehr originell, aber zumindest
brauchbar. Und die Schauspieler - darunter die attraktive
Elisabeth Shue und der eher nervige Josh Brolin - geben sich
durchaus Mühe, wobei vor allem Kevin Bacon (in seinen
sichtbaren Momenten) als unsympathisch-egomanischer
Wissenschaftler positiv auffällt. Ein paar
weitergehende Implikationen gibt es auch noch, als der
unsichtbare Bacon mit seiner "Gabe" nichts anderes
anzufangen weiß, als seine Nachbarin (das
großbusige, aber schauspielerisch untalentierte
Ex-Lara-Croft-Model Rhona Mitra) zu vergewaltigen (ein recht
abrupter, aber so beabsichtigter Schnitt
läßt den Zuschauer hierüber allerdings
weitgehend im Unklaren) und seiner Ex-Freundin (Shue)
nachzustellen. Endlich einmal zeigt ein Hollywoodfilm hier,
was wirklich passiert, wenn Menschen in Situationen geraten,
in denen sie keinerlei Verantwortung mehr für ihre
Taten übernehmen müssen: sie laufen Amok. Ist es
nämlich wirklich wahrscheinlich, daß bei einer
bevorstehenden Zerstörung der Erde durch einen
Asteroiden (wie in - genau, genau! - Armageddon)
niemand auf die Idee kommt, plündernd und
zerstörend durch die Städte zu ziehen? Wer soll
einen nach dem Ende der Welt, oder wenn man sich selbst
nicht mehr im Spiegel betrachten muß (ein aus der
antiken Philosophie entlehntes Motiv), oder wenn ein Tag
immer wieder beginnt (wie in Groundhog Day), überhaupt noch zur Rechenschaft ziehen? Nur sehr
optimistische Menschenfreunde und offenbar einige
Filmemacher glauben, daß der Großteil der
Menschen so besonnen ist, im Angesicht der Apokalypse Ruhe und Anstand zu bewahren.
Aber trotz
dieser erfrischend pessimistischen Herangehensweise (Bacon tötet sogar - was für eine Filmsünde - einen kleinen Hund) verspielt Hollow Man die gewonnenen Sympathien durch
das hanebüchene Drehbuch (die "hollow = hohl"-Analogien
spare ich mir hier lieber), das zielgenau nicht ein
Verrückter-Wissenschaftler-Klischee und kein
mögliches Plothole ausläßt: die
Unsichtbarkeits- und Sichtbarkeitsseren sind natürlich
farblich wohlunterschieden, damit jeder merkt, daß es
sich um zwei unterschiedliche Wirkstoffe handelt, das
natürlich unterirdische und vom Pentagon gesponserte
Labor ist nur über einen mehrfach gesicherten Aufzug zu
erreichen, die Computer haben zwar fortschrittliche
LC-Displays, aber natürlich keine Mäuse, damit die
Helden "professionell" auf der Tastatur klappern
können, die weiblichen Wissenschaftler sind
natürlich ausnahmslos hyper-attraktiv und kleiden sich
nur in hautenge, halb geöffnete Tops (Bacons
Unsichtbarkeit bringt wenigstens einen neuen Kick in die
Szene, als er die Brust seiner Kollegin massiert), Josh
Brolin verabreicht einem Gorilla (!) eine Spritze, indem er
in den Käfig steigt (?), sowohl Bacon als auch
Shue sind, wenn Not am Mann ist, erfindungsreicher als
McGyver (wie man aus einem - hier natürlich wie in vielen anderen Filmen auch fälschlicherweise bei Herzstillstand eingesetzten - Defibrillator, einem
Schubladengriff und ein paar Metern Kabel in der
Realität einen starken Elektromagneten bastelt,
möchte ich sehen), und einige Charaktere stecken mehr
tödliche Verletzungen (Stromschläge, Explosionen,
Durchbohrungen...) ein als jeder Terminator - die gute alte
"Reiß Dich stark genug zusammen, dann hören die
inneren Blutungen schon auf"-Methode feiert in
Hollow Man Urstände. Immerhin ist die
abschließende Action recht ordentlich, spannend und
schonungslos inszeniert, obgleich es einen lächerlichen Coole-Sprüche-Showdown und ein extrem unrealistisches und dadurch
frustrierendes Happy-End gibt.
Zusammenfassend
also schafft es Hollow Man nicht, seinen
zivilisationskritischen Ansatz durchzuhalten und versinkt
vor allem gegen Ende in Drehbuchlöchern und
Nachlässigkeiten. Ein anspruchslos-geradliniger,
aufwendig gemachter, tricktechnisch innovativer und passabel
gespielter Actionschocker ist Paul Verhoevens neuestes Werk
dennoch, aber zumindest ich erwarte von diesem Regisseur
deutlich mehr.
 1/2 von 5 Sternen.
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