Kritik:
Wenn ein Film,
statt in die Kinos zu kommen, in der Schublade des
Produzenten zwischen Flachmann und Kleinkaliberwaffe
verschwindet, kann das verschiedene Gründe haben, ist
in der Regel jedoch auf Geld- oder Qualitätsmangel
zurückzuführen. So wartet die Menschheit noch
immer auf das Release des Zlatko Trpkovski-Streifens Mr.
Boogie (ich frage mich, ab welchem Zeitpunkt die
Mehrzahl der Leser dieser Kritik nicht mehr wissen wird, wer
Zlatko ist...), und auch der unterirdische "Live
Virgin" wurde nur deshalb wieder hervorgekramt und mit
einem neuen, reißerisch-schmierigen Titel
ausgestattet, weil die nicht unerhebliche und
kaufkräftige Klientel derer bedient werden wollte, die
beständig auf Nacktszenen von solch
knabenhaft-unterentwickelten Schauspielerinnen wie Mena
Suvari hoffen...
Warum der
warmherzige und liebevolle, aber nicht ganz fehlerfreie
Anno-Saul-Film Grüne Wüste fast eineinhalb
Jahre vor sich hin moderte, entzieht sich meiner Kenntnis,
da es ihm weder an Qualität noch an zugkräftigen
und talentierten Stars mangelt - die fehlende
Multiplex-und-Popcornverdaulichkeit ist hoffentlich nicht
der einzige Grund, wenngleich er der augenfälligste
ist.
Denn auf den ersten, den zweiten und auch den dritten Blick
wirkt Grüne Wüste weniger wie ein Kinofilm
als vielmehr wie eine Fernsehproduktion, so
körnig-verwaschen ist die Kamera, so durchschaubar sind
manche der Kulissen und fast alle Spezialeffekte, und so
sparsam ist die (durchaus gelungene) Musikuntermalung. Auch
die Schauspieler sind vornehmlich auf der Mattscheibe zu
finden, wo sie sich jedoch im Regelfall positiv auszeichnen.
Vor allem die wandlungsfähige Martina Gedeck (Betonung,
bitte, auf dem ersten "e") weiß fast immer zu
gefallen, und auch hier liefert sie eine angenehme
Darstellung einer leicht überforderten Mutter zwischen
zwei Männern (Ulrich Noethen und Heino Ferch mit
routiniertem, aber nicht berauschendem Spiel), auch wenn das
Drehbuch ihr die Konfrontation mit manchen Klischees
abnötigt (der Liebhaber, der nachts betrunken vor dem
Haus seiner Liebsten grölt, die heimlichen Treffen im
Hinterzimmer...).
Die beste
Leistung des Films aber muß der jungen Tatjana Trieb
zugebilligt werden, die schon in Caroline Links wunderbarem
Jenseits der Stille ihr Talent bewies: hier ist sie
als heranwachsende Katja hin-und hergerissen zwischen den
Eheproblemen ihrer Eltern und der Leukämieerkrankung
ihres Freundes Johann, mit dem sie in den Wäldern der
Gegend, der "Grünen Wüste", spielt. Wie die
tödliche Krankheit, beginnend mit einer blutenden Nase,
in die friedliche Phantasiewelt der Kinder einbricht und
diese von innen nach außen genauso zerstört wie
die Leukämie Johanns Körper, zeigt Anno Saul in
bemerkenswert unprätentiösen Einstellungen ohne
übertriebene Sentimentalitäten. Die
Alltäglichkeit und der tragische Realismus dieser
Szenen (der Telefonanruf in der Gaststätte!), die die
Beziehung der heranreifenden Katja sowohl zu ihren Eltern
als auch zum sterbenden Johann intensiv beleuchten, sind die
Stärke von Grüne Wüste, der dafür
dort, wo er großes Kino sein möchte, eher
versagt: die Feuersbrunst gegen Ende ist nicht nur eine
klägliche Metapher für Katjas aufgewühlte
Gefühlswelt, sondern auch tricktechnisch dilettantisch
inszeniert.
Insgesamt
gelingt das Ende dieses schnörkellosen und
wirklichkeitsnahen Jugenddramas aber dennoch, da die
Schlußeinstellung, dem - Achtung, schweres
interpretatives Geschütz - Oxymoron des Filmtitels
einen Sinn gebend, die "Grüne Wüste" als das
unwiederbringliche Paradies der Jugend erkennen
läßt, jenen jedem, der einmal jung war, bekannten
Ort, an dem Phantasie und Natur eine
zauberisch-unvergeßliche Verbindung eingehen; und
für dieses schöne Bild lohnt es sich dann doch
wieder, den eigentlich nicht für die große
Leinwand geeigneten Grüne Wüste ins Kino
gebracht zu haben.
  1/2 von 5 Sternen.
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