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Grüne Wüste

-- Im Prinzip ja, aber... --

Szene aus Grüne Wüste

Info über Grüne Wüste (D 1999)

Regie: Anno Saul

Darsteller: Tatjana Trieb, Robert Gwisdek, Martina Gedeck, Heino Ferch, Ulrich Noethen, Corinna Harfouch

Inhalt: Die Freundschaft zwischen einem Mädchen und einem todgeweihten Jungen.

Kritik: Wenn ein Film, statt in die Kinos zu kommen, in der Schublade des Produzenten zwischen Flachmann und Kleinkaliberwaffe verschwindet, kann das verschiedene Gründe haben, ist in der Regel jedoch auf Geld- oder Qualitätsmangel zurückzuführen. So wartet die Menschheit noch immer auf das Release des Zlatko Trpkovski-Streifens Mr. Boogie (ich frage mich, ab welchem Zeitpunkt die Mehrzahl der Leser dieser Kritik nicht mehr wissen wird, wer Zlatko ist...), und auch der unterirdische "Live Virgin" wurde nur deshalb wieder hervorgekramt und mit einem neuen, reißerisch-schmierigen Titel ausgestattet, weil die nicht unerhebliche und kaufkräftige Klientel derer bedient werden wollte, die beständig auf Nacktszenen von solch knabenhaft-unterentwickelten Schauspielerinnen wie Mena Suvari hoffen...

Warum der warmherzige und liebevolle, aber nicht ganz fehlerfreie Anno-Saul-Film Grüne Wüste fast eineinhalb Jahre vor sich hin moderte, entzieht sich meiner Kenntnis, da es ihm weder an Qualität noch an zugkräftigen und talentierten Stars mangelt - die fehlende Multiplex-und-Popcornverdaulichkeit ist hoffentlich nicht der einzige Grund, wenngleich er der augenfälligste ist.
Denn auf den ersten, den zweiten und auch den dritten Blick wirkt Grüne Wüste weniger wie ein Kinofilm als vielmehr wie eine Fernsehproduktion, so körnig-verwaschen ist die Kamera, so durchschaubar sind manche der Kulissen und fast alle Spezialeffekte, und so sparsam ist die (durchaus gelungene) Musikuntermalung. Auch die Schauspieler sind vornehmlich auf der Mattscheibe zu finden, wo sie sich jedoch im Regelfall positiv auszeichnen. Vor allem die wandlungsfähige Martina Gedeck (Betonung, bitte, auf dem ersten "e") weiß fast immer zu gefallen, und auch hier liefert sie eine angenehme Darstellung einer leicht überforderten Mutter zwischen zwei Männern (Ulrich Noethen und Heino Ferch mit routiniertem, aber nicht berauschendem Spiel), auch wenn das Drehbuch ihr die Konfrontation mit manchen Klischees abnötigt (der Liebhaber, der nachts betrunken vor dem Haus seiner Liebsten grölt, die heimlichen Treffen im Hinterzimmer...).

Die beste Leistung des Films aber muß der jungen Tatjana Trieb zugebilligt werden, die schon in Caroline Links wunderbarem Jenseits der Stille ihr Talent bewies: hier ist sie als heranwachsende Katja hin-und hergerissen zwischen den Eheproblemen ihrer Eltern und der Leukämieerkrankung ihres Freundes Johann, mit dem sie in den Wäldern der Gegend, der "Grünen Wüste", spielt. Wie die tödliche Krankheit, beginnend mit einer blutenden Nase, in die friedliche Phantasiewelt der Kinder einbricht und diese von innen nach außen genauso zerstört wie die Leukämie Johanns Körper, zeigt Anno Saul in bemerkenswert unprätentiösen Einstellungen ohne übertriebene Sentimentalitäten. Die Alltäglichkeit und der tragische Realismus dieser Szenen (der Telefonanruf in der Gaststätte!), die die Beziehung der heranreifenden Katja sowohl zu ihren Eltern als auch zum sterbenden Johann intensiv beleuchten, sind die Stärke von Grüne Wüste, der dafür dort, wo er großes Kino sein möchte, eher versagt: die Feuersbrunst gegen Ende ist nicht nur eine klägliche Metapher für Katjas aufgewühlte Gefühlswelt, sondern auch tricktechnisch dilettantisch inszeniert.

Insgesamt gelingt das Ende dieses schnörkellosen und wirklichkeitsnahen Jugenddramas aber dennoch, da die Schlußeinstellung, dem - Achtung, schweres interpretatives Geschütz - Oxymoron des Filmtitels einen Sinn gebend, die "Grüne Wüste" als das unwiederbringliche Paradies der Jugend erkennen läßt, jenen jedem, der einmal jung war, bekannten Ort, an dem Phantasie und Natur eine zauberisch-unvergeßliche Verbindung eingehen; und für dieses schöne Bild lohnt es sich dann doch wieder, den eigentlich nicht für die große Leinwand geeigneten Grüne Wüste ins Kino gebracht zu haben.

***1/2 von 5 Sternen.

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