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Gosford Park

-- Splendid, isn't it? --

Szene aus Gosford Park

Info über Gosford Park (USA 2001)

Regie: Robert Altman

Darsteller: Maggie Smith, Michael Gambon, Emily Watson, Helen Mirren, Kelly Macdonald, Stephen Fry

Inhalt: Ruf- und echte Morde englischer Adliger zwischen den Kriegen.

Kritik: Erneut ist es an der Zeit, sich in der hier mehr als einmal bewährten Art eines weltmüden Bohemien mit einem Problem zu befassen, das keinen augenfälligen ästhetischen oder praktischen Wert birgt, mithin also der Volksseele keines ist, obgleich es bei näherem Hinsehen von durchaus hoher Sprengkraft sein kann: die deutsche Synchronisation und ihr Umgang mit Akzenten und Dialekten.
Wer kann ermessen, was in einem den geistreichen Gosford Park sehenden Briten vorgeht, wenn er die Schottin Kelly Macdonald ein natürliches, wenngleich bisweilen arg gewöhnungsbedürftig schottisch gefärbtes Englisch sprechen hört und gleich danach den Amerikaner Ryan Phillippe eine lustige, aber sehr lausige Imitation desselben Akzentes (ein für die Story nicht unwesentlicher Punkt)? Was, wenn er Maggie Smiths schneidende Bemerkungen im normativen Upper-Class-Dialekt und das Geschwätz der Köchinnen in flapsigem Cockney vernimmt? Ganze Romane drehen sich mitunter allein um die Insulaner und die Obsession mit ihrer Sprache - nicht zuletzt George Bernard Shaws berühmter und vielfach verwursteter "Pygmalion" -, da frustriert es nur noch mehr, daß alles, was der Deutsche, selbst beileibe nicht arm an regionalen Dialekten, von der Leinwand herab zu hören bekommt, ein steriles, artifizielles und ganz und gar lebloses Studio-Pseudohochdeutsch ist, selbst wenn der dazugehörige Film in München, Hamburg oder Dresden spielen sollte. Obwohl eine Nachbildung spezifisch britischer Klassen- und Sprachverhältnisse nicht möglich scheint, wäre schon ein leicht farbigeres Sprachbouquet ein großer Schritt vorwärts in diesem Land, in dem Arnold Schwarzenegger sich nie selbst synchronisiert, aus Angst, er klänge komisch und tumb statt grimmig und gefährlich. Felix Albion!

Gosford Park also, und Maggie Smith in einer der besten und am besten gespielten Rollen des Films als unanständig reiche, herrlich hochnäsige und wunderbar schnippische Gräfin Trentham trifft mit ihrer neuen Dienerin Mary (Kelly Macdonald liebenswert schüchtern) zu einer Jagdgesellschaft auf dem titelgebenden Landsitz ihres reichen Bruders William ein, der von Michael Gambon treffend exzentrisch gegeben wird. Williams Frau Sylvia (Kristin Scott Thomas zuverlässig gut) begrüßt die zahlreichen Gäste, unter ihnen ihre Schwestern, deren notorisch klamme Männer und den für einen Charlie-Chan-Film recherchierenden Filmproduzenten Morris Weissman (Bob Balaban) mit seinem Star Ivor Novello (Jeremy Northam mit einer verblüffend angenehmen Singstimme) und seinem Diener (Ryan Phillippe), während die Dienerschaft - darunter eine brillante Emily Watson als Hausmädchen Elsie, Alan Bates als distinguierter Butler Jennings, eine rührende Helen Mirren als pedantische Haushälterin Mrs. Wilson, Eileen Atkins als Köchin Mrs. Croft und ein köstlich herablassender Richard E. Grant als Lakai George - am Fußende der Treppen hektisch an die Arbeit geht. Später kommt noch Stephen Fry als jovialer und leicht unterbelichteter Inspektor Thompson hinzu, und fertig ist ein so sympathisches wie spielfreudiges Ensemble, dessen vielfältige Verwandtschafts-, Liebes- und Haßbeziehungen man sich freilich beim ersten Sehen nur schwer ohne ein fotografisches Elefantengedächtnis merken kann.

So gleicht der Gang des Zuschauers durch Gosford Park mittels Andrew Dunns etwas lichtarmem Kameraauge dem der jungen Mary durch das weitläufige Anwesen: mal verirrt man sich, mal entdeckt man Vergnügliches, mal Furchtbares, und mehr als einmal drohen die allzuvielen neuen Eindrücke die zarte Seele zu überwältigen. Schließlich aber findet man doch immer wieder den Weg zurück in die heimelige Stube, in der Emily Watson schon mit dem neuesten Klatsch aufwartet. Watson ist es auch, die ausnehmend gut spielend neben Smith, Gambon und Grant für die humorvollsten Momente im oftmals augenzwinkernd-irreführenden Gosford Park sorgt, so, als sie dem aufgeblasenen Ryan Phillippe die Tür vor der Nase zuschlägt oder folgenreich verbal ausrutscht - allein die völlig entgeisterten Gesichter der Betroffenen in dieser Szene sind einen Besuch von Robert Altmans neuestem Werk zweifach wert.

Allein, auch das tüchtigst mit geistiger und körperlicher Korruption gewürzte Sittengemälde bleibt ohne eine packende Geschichte nur eine Zeitlang spannend, und so muß William sterben, woraufhin Stephen Fry seine natürlich erfolglosen, aber erhellend enthüllenden Ermittlungen beginnt. Stören läßt sich die feine Gesellschaft auch hiervon nicht, und schließlich ist es ebenso natürlich an der einzig Unschuldigen in diesem frivolen Reigen, der jungen Mary, den Fall zu lösen. Ob sich wenigstens dadurch etwas im Leben der Akteure oder des Zuschauers für immer ändert? Man möchte nicht darauf wetten - aber einen amüsanten Ausflug aufs Land bereitet Gosford Park den Beteiligten auf beiden Seiten der Leinwand allemal.

****von 5 Sternen.

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