Kritik:
Die Liebe ist, so
rauscht es weise und sanft aus der Binse, eine Himmelsmacht,
die noch den Größten unter uns fortreißt
und im Strudel der Gefühle zermalmt
zurückläßt. Mann und Frau, Mensch und Tier
fallen ihr anheim wie einer heimtückischen Krankheit,
und Heilung und Erlösung bringt erst der dunkle
Tod.
Schreckhaften oder vorsichtigen Gemütern sei aber vor dem Verlieben ein Besuch von Michael Apteds Enigma angeraten - die
quälend brutale und ganz und gar unmenschliche Folter,
die dieser Film seinen Zuschauern zufügt, ist einem
jahrhundertelangen Aufenthalt im Fegefeuer nicht
unähnlich, und nebenbei lernt man eindrücklich, zu welchen wirren Verwicklungen und miserablen Filmen die Liebe führen kann.
Als
wären die verwaschenen Bilder, die lustlos dudelnde
Musik, der kreuzlahme Schnitt, die Sets aus Wellpappe, die
Kostüme aus einer Altkleidersammlung in Nord-Usbekistan und die wahlweise tuntigen, farblosen,
verschminkten oder steifen Nebendarsteller nicht genug,
übertrifft sich Michael Apted, der bereits den
furchtbaren The World Is Not Enough verbrochen hat,
in jeder Minute seiner überlangen zwei Stunden mit
einer Hitparade aus Peinlichkeiten, die fest von (in dieser
Reihenfolge) dem Drehbuch, Dougray Scott, Saffron Burrows,
und, man traut sich kaum, es zu schreiben, Kate Winslet
angeführt wird.
Was die talentierte, zur Drehzeit hochschwangere
Engländerin bewog, in dieser so unsympathischen wie
forcierten Räuberpistole mitzuspielen, bleibt unklar,
und man möchte es auch gar nicht genauer wissen: zu
sehr schmerzt bereits nach wenigen Minuten Winslets fahrige,
unkonzentrierte und plumpe Darstellung, die Lichtjahre von
ihren Leistungen in Titanic und Jude entfernt
ist - genau wie ihr Gewicht (und bedenke, Leser, wer hier
schreibt): rammbockähnliche, schweinchenrosane Beine tragen ächzend einen walartigen Rumpf, der so bedrohlich schwankt
wie ein mehrfach harpunierter Moby Dick. Obenauf sitzt ein
fleischiger Kürbis, in dem mit Mühe winzige
Öffnungen für die allernötigsten Sinnesorgane
zu erkennen sind, und eine gewaltige Warze droht, sich zu
einem zweiten Kopf zu entwickeln. Bleibt zu hoffen,
daß wenigstens das aus diesen Fleischalpen entstandene
Kind wohlauf ist - Winslets Können ist es hier
nicht.
Trotz aller
im Wortsinn massiven Probleme aber steckt Winslet Saffron
Burrows gleich mehrfach in die Tasche: als blutarmer
Männerschwarm mit dem Gang und der mimischen
Flexibilität eines Storchs auf der Suche nach
Breitmaulfröschen stakst diese durch die Wiesen von
Bletchley Park und macht vielleicht den Zuschauer
verrückt (vor Zorn), ganz bestimmt aber nicht die
allein in ihre kryptographischen Rätsel und Probleme verliebten Wissenschaftler.
Bis auf einen: Tom Jericho alias Dougray Scott, der Mann mit
der Ausstrahlung zwanzig Jahre alter Frikadellen, dem
Körper Wladimir Iljitsch Lenins (1989) und dem Gesicht
eines mehrmals überfahrenen Meerschweinchens, das zuvor
in der Toilette weggespült wurde. Schon in Mission:
Impossible II stand Scott dem widerwärtigen Egotrip
Tom "Rock Hudson" Cruises nicht durch Präsenz oder
Talent im Weg, und auch hier fügt er sich, ohne je
aufzufallen oder über das Niveau der Darstellerriege
einer Lobotomisierten-Selbsthilfegruppe hinauszukommen, in
jede noch so absurde Wendung, die sein Charakter mitmacht, und verzieht das Gesicht gräßlich, wenn dieser
weinen, und debil, wenn dieser lachen soll, und furchig, wenn dieser prügeln muß.
Sein
Charakter nun, ein zu einem ballernden Raufbold und
Frauenheld verwandelter, in Wahrheit schüchterner und
homosexueller Alan Turing, versucht, mit einigen offenbar
nicht weiter interessanten Freunden gleichzeitig hinter das
Geheimnis der deutschen Enigma-Verschlüsselungsmaschine
und den Spion in den eigenen Reihen zu kommen, was dem
Drehbuchautor Tom Stoppard reichlich Gelegenheit zu
unerklärtem Kryptographie-Babble, unverfrorener
Geschichtsfälschung, unverständlichen
Aktenwälz-Sequenzen und konfus-schlaffen Actionszenen
mit völlig übertrieben akzentuiert deutsch
sprechenden ("Achtung! Senden Sie dies sofort!"), aber natürlich sogleich umkommenden Nazis gibt. Im Verbund mit
den bereits besprochenen Unzulänglichkeiten kommt der
sich wie gerädert vorkommende Zuschauer so endlich
hinter das wahre Enigma dieses Filmes: erst im Tod
gibt es Erlösung von und aus diesem fürchterlichen
Machwerk.
von
5 Sternen.
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