Kritik:
Als
fürsorglicher Filmkritiker mache ich mir ab und zu
Gedanken über die Karrieren liebgewonnener Stars und
wünschte manchmal, ich könnte ihnen gutgemeinte
Ratschläge zuraunen: "Meg Ryan, nimm andere Rollen
an, sonst bist Du bald zu alt! Van Damme, setz Dich zur
Ruhe, ehe Du noch einen tödlichen Schlag auf die Birne
bekommst!" Auch der attraktiven Reese Witherspoon täte
ein kleiner Denkanstoß vielleicht ganz gut: zwar sind
ihr mit ihrer wohlgeformten und nicht zu dünnen Figur,
ihrem vielfältig kämmbaren Blondhaar und ihrem
hübschen Gesicht mit den ausdrucksstarken Augen auch
weiterhin gut bezahlte Rollen sicher; es steht jedoch zu
befürchten, daß diese nur weiter in dieselbe
Kerbe schlagen, in der die gute Reese (selbst ihr Name ist
äußerst wohlklingend, was für einen
Hollywoodstar nicht unwichtig zu sein scheint - warum sonst
die vielen Künstlernamen?) seit Jahren arbeitet. Die
sehr kleine (nur in Cruel Intentions dank der
zwergenhaften Ausmaße von Ryan Phillippe in dieser
Hinsicht nicht weiter aufgefallene) Darstellerin spielt seit
geraumer Zeit fast nur noch unfaßbar moralisch
integre, propere und durch und durch saubere Jungfrauen und
Gutmenschen. Selbst wenn sie mal gegen den Strich besetzt
wird (wie als rebellische Teenagerin in
Pleasantvile), ist sie trotzdem so nett und adrett
anzuschauen, daß man ihr nicht mal die kleinste
Gemeinheit zutraut. Einmal nur würde ich sie gerne als
verdreckte Gangsterbraut sehen - wenn sie nicht bald solche Rollen annimmt, tritt der Meg Ryan-Effekt auf, der
dazu führt, daß man ihr nur noch die Sauberfrauen
abnimmt, was bei Witherspoons Talent jammerschade
wäre.
Denn in
Election, der aus unerfindlichen Gründen nicht
bis in die deutschen Kinos gelangt ist, darf sie sich als
immer perfekt gekleidete Superstreberin nach allen Regeln
der Kunst austoben. Mit umwerfend lustigen Freeze-Frames und
einer temperamentvollen Darstellung bringt sie das
Zwerchfell zum Beben, obwohl klar ist, daß der ganze
Film völlig unrealistisch ist. Neben den
bekannt-klischeehaften, hier zum Glück ironisierten US-Highschool-Versatzstücken
(Schließfächer, Basketballhalle, Einzeltische...)
ist Witherspoon natürlich viel zu schön, um
wirklich eine Streberin zu sein. Da schöne Frauen trotz
aller Emanzipations- und Gleichberechtigungsbemühungen
auch weiterhin ohne Intelligenz gut vorankommen können
(keine Frauenfeindlichkeit, sondern nur ein invertiertes
Zitat aus American Psycho...), ist es nicht
glaubhaft, daß diese Tracy Flick sich so sehr
anstrengt, wenn sie erstklassige Ergebnisse auch mit einem
verführerischen Augenaufschlag erreichen
könnte.
Aber
vielleicht gehört das ja zum satirischen Konzept des
Films, der mit Matthew Broderick ausgerechnet "Ferris
Bueller" als Lieblingslehrer vorführt. Dieser will
Tracys Wahl zur Schülerpräsidentin mit allen
Mitteln verhindern und stellt daher den gutmütigen und
natürlich immens beliebten, aber etwas einfältigen
Footballcrack Paul Metzler (American Pie Chris Klein
herrlich selbstironisch) als Gegenkandidaten auf. Die beste
Freundin seiner Schwester gibt ihm - diese Art des
Geschlechtsverkehrs scheint in den USA unglaublich beliebt
zu sein - einen Blowjob, um den pseudo-lesbischen
Nachstellungen von Pauls zahnspangiger Schwester einen effektiven Riegel
vorzuschieben; diese tritt daraufhin aus Rache in den Wahlkampf und gefällt durch sarkastische
Anti-Parolen, die ihr am Ende den ersehnten Platz im
katholischen Mädcheninternat bescheren, in dem es
natürlich von Fußballspielerinnen nur so wimmelt.
Nebenbei hat der Lehrer noch eine unglückliche, aber
für den Zuschauer sehr vergnügliche
Kurzaffäre mit der Frau seines Freundes, was bei ihm zu
so vielen Frustrationen führt, daß er kurzerhand
das Wahlergebnis fälscht.
Man merkt
schon: Election nimmt sich selbst nicht allzu
ernst und versucht sich nicht nur als unverblümte und
genau beobachtende Highschoolkomödie, die alle
diesbezüglichen Klischees auf die Schippe nimmt,
sondern auch als leichte Politsatire, die von
übertriebenen Kampagnen bis zum Kreuzchen beim eigenen
Namen (oder auch nicht) alles beinhaltet, was den
mündigen Wahlbürger zum Lachen bringt. Das geht
fast immer ziemlich gut (die Voiceovers jedes
Hauptdarstellers tragen einiges zum Verständnis der
Figuren bei), und nur wenige Scherze sind allzu durchsichtig
oder platt (der Bienenstich...). Zwar werden einige Motive
zwischendurch vergessen, die Technik ist eher
altmodisch-behäbig, und langweilig-prüde
Kameraeinstellungen machen manchen schlüfprigen Scherz
zunichte. Aber insgesamt ist Election doch eine
überraschend hintergründig-humorvolle Komödie
über die amerikanische Highschool-Lebensart und ihre
"Be popular"-Tücken.
![*](stern.gif) ![*](stern.gif) ![*](stern.gif) von 5 Sternen.
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