Kritik:
Zu Fasching, der
fürchterlichen fünften Jahreszeit, kommen
bisweilen selbst entschlossen schunkelresistente,
südlich des Kölschäquators lebende
Zeitgenossen wie ich unfreiwillig in Kontakt mit den Adepten
des verordneten Frohsinns, einst etwa beim arglosen
Warten auf unpünktlich-uhrlose Freunde: ein Mann (wenn
man ihn so nennen kann) trat aus dem Dunkel, gewandet in
nicht mehr als eine übergroße Windel um seine
Lenden und einen Latz auf seiner haarigen Affenbrust. Mit
einem blauen Schnuller im Mund breit grinsend, schritt der
Humorzombie am Wartenden vorbei, zurück ins Schwarze,
zu seinen dunklen Geschäften.
Ungefähr
wie ein übergroßes Baby wird sich auch jeder
deutsche Zuschauer nach dem Genuß von Chris Nahons
Martial-Arts-Streifen Kiss of the Dragon fühlen:
die nimmermüden, endlos fürsorglichen
Zensurbehörden haben im steten Bemühen, auch den
erwachsenen Bürger möglichst vollständig zu
entmündigen, so fleißig zur Schere gegriffen,
daß die traurigen Reste getrost für die
nächste Bastelstunde im Kindergarten verwendet werden
könnten - der logisch ohnehin allzu brüchige Film
verliert durch die wilde Schnippelei fast sein einzig
richtig funktionierendes Glied, die krachige
Klopp-Action.
Zum
Glück aber nur fast, und das bleibt nicht den
dressierten, mit Scheren bewaffneten Koboldmakis der
Zensurbehörden zu verdanken, sondern, ohne Reihenfolge,
Jet Li, Tchéky Karyo, Bridget Fonda, und,
tatsächlich, Luc Bessons wirrem Skript. Selbiges ist
nämlich so voller haarsträubender Präpotenz
(offenbar darf die Pariser Polizei im Zuge ihrer
Ermittlungen und Verbrecherjagden so viele Zivilisten
töten, wie Kugeln in ein Magazin passen, ohne je
Konsequenzen fürchten zu müssen), unerklärten
Wendungen (warum genau hat der nachnamen- (oder
vornamen)lose Inspektor Richard den bösen Plan nun
eigentlich ersonnen?) und Klischees aus dem Sonderangebot
(die gute Hure, Feindschaft, die sich in Freundschaft
wandelt, einer gegen alle...), daß man sich bereits
nach wenigen Minuten entspannt zurücklehnen und statt
den Wendungen einer komplizierten Story genüßlich
dem Bügeleisen folgen kann, das Jet Li seinen
Verfolgern nachwirft.
Der mimisch
gekonnt sparsame (oder nur unbegabte...) Li macht auch im
Folgenden Freude, wenn er an schönen Pariser
Schauplätzen blitzschnell Kugeln ausweicht, reihenweise
Bösewichte in die Seine tritt oder akrobatisch dem Tod von der Schippe springt. Die Kamera des weiter genialen Thierry Arbogast
behält immer die Übersicht, die Soundeffekte
lassen den Saal vibrieren, und die rasante Choreographie
macht blutig spürbar, daß der gute Li
wirklich in akuter Gefahr schwebt.
In Ermangelung der an den langen Fingern der Makis haftenden
Kampfszenen erkennt der deutsche Zuschauer Lis brenzlige Situation vorzugsweise an den Grimassen des
Hobbybösewichts Tchéky Karyo, der sich als
korrupter Inspektor mit intensivem Spiel erfolgreich
anstrengt, um von allen Filmfiguren und Zuschauern
gleichermaßen mit Freuden gehaßt zu werden.
Unter anderem entführt er (Punkt 8 der
So-werde-ich-ein-Bösewicht-Checkliste) ein kleines
Mädchen, um dessen drogensüchtige, sich
prostituierende Mutter zu erpressen, womit wir nach den
anderen sympathischen Akteuren und den gelungenen künstlerischen Leistungen endlich bei Bridget Fonda
wären, die im roten Hurenmäntelchen mit zwei
Tüten Krabbenchips in den Händen im Verbund mit
Li für humorvoll zärtlich-leichte,
zwischenmenschliche Chemie und einige rührende Szenen
sorgt. Wenn Li, ganz asiatischer Gentleman, sichtlich
erschrocken Fonda daran hindert, ungeniert in seinen
Türrahmen zu pinkeln und sie stattdessen höflich
auf seine Toilette läßt, entschädigt das
auch das deutsche (Un)mündel für die gegen Ende
doch allzu linear-unglaubwürdigen Kämpfe und den
hierzulande fehlenden, brutal-finalen Kuss des Drachens. Am
Schluß bleibt so auch kein Ärger, sondern
diffuses Wohlsein, das freilich bald vergangen ist.
Über sich selbst hinaus reicht Kiss of the
Dragon nämlich nicht, aber für einen vergnüglichen
Martial-Arts-Abend zur Einstimmung auf eine heroische
Kung-Fu-Schlacht mit den bewaffneten Lemuren ist Chris Nahons Film
allemal gut genug.
  1/2 von 5 Sternen.
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