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Crazy

-- Den Hustler gibt's im Supermarkt? --

Szene aus Crazy

Info über Crazy (D 2000)

Regie: Hans-Christian Schmid

Darsteller: Robert Stadlober, Oona-Devi Liebich, Julia Hummer, Tom Schilling, Dagmar Manzel, Christoph Ortmann

Inhalt: Die pubertären Irrungen und Wirrungen des halbseitig gelähmten Internatszöglings Benjamin Lebert.

Kritik: Einst saß ich - diese Geschichte, tauglich für eine weitere längliche Einleitung, kennt jeder, den ich kenne, und nun kennen sie auch die Abermillionen treuen Leser meiner großartigsten aller großartigen Homepages - in der Oberstufenecke meiner Schule und lernte fleißig und strebsam (muahahaha) für anstehende Klausuren - ich war in der dreizehnten Klasse -, als sich auf das mir gegenüberliegende Sofa ein paar Mädchen aus der Zehnten setzten, mir vom Sehen bekannt. Sie fingen - sie waren 16 - sogleich an, miteinander zu plaudern, und wie es so meine alles aufschnappende Art ist, konnte ich nicht umhin, ihre Unterhaltung mitzuhören: "Du, mein Freund wird jetzt 25, was soll ich ihm schenken?" "Ach so, meiner ist letzte Woche 23 geworden, ich blablabla" "Ja, meiner wird erst im Oktober 22 blablabla".
Wohlgemerkt, die Mädels waren gerade 16, ich welterfahrene 18 und wieder einmal geschockt. Mädchen in diesem Alter ist es nachzusehen, wenn sie mit den grölenden Jungs ihres Alters nichts anfangen können; aber was treibt erwachsene Männer dazu, sich nicht mit Frauen ihres Alters zu verbandeln, sondern sich diese Kinder zu angeln? Die Welt steckt immer voller seltsamer Wunder.

Diese Gedanken gingen mir in manchen Szenen von Crazy durch den Kopf, als Maries hardrockender Freund vorgestellt wurde zum Beispiel, oder als die Dreiecksgeschichte zwischen Benni, Janosch und Malen auf köstlichste, weil lebensechte Weise aufgelöst wurde. Das spricht für die immer vorhandene Authentizität dieses Films, die von Inkys, abbrechender Kreide und Schlampermäppchen über Alt-Achtundsechziger-Lehrer, wilde Parties mit filmisch etwas übertriebenen Morgen-danach-Syndromen und zu großzügig geschminkten Mädchen bis hin zu einer witzigen Foto-Love-Story und pubertären Sexheftfantasien alles zeigt, was die eigene Jugend lebhaft ins Gedächtnis zurückruft.

So sitzt man, nun altersweise geworden, im Kino und genießt die durchgehend angenehm, aber etwas pastellig weich fotografierten, mit zeitweise etwas nerviger und eher unpassender Musik unterlegten Szenen, die Benni und seine Freunde bei ihren nachmittäglichen Eskapaden begleiten. Manchmal überspannt das Drehbuch den Bogen etwas wie bei der Stripszene oder bei der doch eher unrealistischen und geschmacklosen, an American Pie erinnernden Keksszene, und einige Klischees werden unsensibel übernommen: der kleine Fettsack muß wieder für die Lacher herhalten, ein großer Langer, ein anämisches Muttersöhnchen, ein smarter Rudelführer, ein Bettnässer und ein unerreichbares Traummädchen bilden den Rest der Clique, die das von Robert Stadlober hervorragend gespielte, in weite, schützende Kapuzenpullis gehüllte, behinderte Mamakindchen Benjamin Lebert umgibt. Vom Unterricht über die freien Nachmittage bis zu den Partys: immer bleibt Hans-Christian Schmid dicht am Puls seiner überdurchschnittlichen bis guten jugendlichen Schauspieler und läßt sie so reden, wie ihnen die Schnauze gewachsen ist, während sich die Lovestory mit Malen und die Freundschaft zwischen den Jungs nach und nach bis zu ihrem versöhnlichen, künstlerisch etwas aufgesetzten (der Marlboro-Nebel-See ist wieder da!) Ende entwickelt. Neben Robert Stadlober tragen vor allem Tom Schilling als "cleverer" Janosch, die leicht nervig piepsstimmige Julia Hummer als unsichere Marie und Oona-Devi Liebich als Objekt der Begierde Malen den größten Teil zur Genießbarkeit der Story bei.

Leider fehlt es etwas an einem roten Faden und einer großen, den Film tragenden Idee, so daß Crazy vor allem in den letzten zwei Dritteln trotz aller netten Szenen ziemlich durchhängt und fast schon wie eine Collage wirkt. Die Wegen-Geliebter-Zerstrittene-Eltern-Klischees und die pseudoreflexiv-abgeklärten Kommentare Benjamins aus dem Off tun ein Übriges, um Crazy im Vergleich mit 23 und Nach Fünf im Urwald, den früheren Filmen Hans-Christian Schmids, etwas schlechter dastehen zu lassen. Dennoch ist dem jungen Regisseur ein liebevolles und authentisches Porträt der heutigen Jugend gelungen, das auf sympathische Weise vor allem den jüngeren Zuschauern die eigene Pubertätszeit schön in die Erinnerung zurückrufen wird und einen, zwei oder drei Blicke allemal wert ist.

***1/2 von 5 Sternen.

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