Kritik:
Einst saß
ich - diese Geschichte, tauglich für eine weitere
längliche Einleitung, kennt jeder, den ich kenne, und
nun kennen sie auch die Abermillionen treuen Leser meiner
großartigsten aller großartigen Homepages - in
der Oberstufenecke meiner Schule und lernte fleißig
und strebsam (muahahaha) für anstehende Klausuren - ich
war in der dreizehnten Klasse -, als sich auf das mir
gegenüberliegende Sofa ein paar Mädchen aus der
Zehnten setzten, mir vom Sehen bekannt. Sie fingen - sie
waren 16 - sogleich an, miteinander zu plaudern, und wie es
so meine alles aufschnappende Art ist, konnte ich nicht
umhin, ihre Unterhaltung mitzuhören: "Du, mein
Freund wird jetzt 25, was soll ich ihm schenken?" "Ach
so, meiner ist letzte Woche 23 geworden, ich blablabla" "Ja,
meiner wird erst im Oktober 22 blablabla".
Wohlgemerkt, die Mädels waren gerade 16, ich
welterfahrene 18 und wieder einmal geschockt. Mädchen
in diesem Alter ist es nachzusehen, wenn sie mit den
grölenden Jungs ihres Alters nichts anfangen
können; aber was treibt erwachsene Männer dazu,
sich nicht mit Frauen ihres Alters zu verbandeln, sondern
sich diese Kinder zu angeln? Die Welt steckt immer
voller seltsamer Wunder.
Diese
Gedanken gingen mir in manchen Szenen von Crazy durch
den Kopf, als Maries hardrockender Freund vorgestellt wurde
zum Beispiel, oder als die Dreiecksgeschichte zwischen
Benni, Janosch und Malen auf köstlichste, weil
lebensechte Weise aufgelöst wurde. Das spricht für
die immer vorhandene Authentizität dieses Films, die
von Inkys, abbrechender Kreide und Schlampermäppchen
über Alt-Achtundsechziger-Lehrer, wilde Parties mit
filmisch etwas übertriebenen Morgen-danach-Syndromen
und zu großzügig geschminkten Mädchen bis
hin zu einer witzigen Foto-Love-Story und pubertären
Sexheftfantasien alles zeigt, was die eigene Jugend lebhaft
ins Gedächtnis zurückruft.
So sitzt
man, nun altersweise geworden, im Kino und genießt die
durchgehend angenehm, aber etwas pastellig weich
fotografierten, mit zeitweise etwas nerviger und eher
unpassender Musik unterlegten Szenen, die Benni und seine
Freunde bei ihren nachmittäglichen Eskapaden begleiten.
Manchmal überspannt das Drehbuch den Bogen etwas wie
bei der Stripszene oder bei der doch eher unrealistischen
und geschmacklosen, an American Pie erinnernden
Keksszene, und einige Klischees werden unsensibel
übernommen: der kleine Fettsack muß wieder
für die Lacher herhalten, ein großer Langer, ein
anämisches Muttersöhnchen, ein smarter
Rudelführer, ein Bettnässer und ein unerreichbares
Traummädchen bilden den Rest der Clique, die das von
Robert Stadlober hervorragend gespielte, in weite,
schützende Kapuzenpullis gehüllte, behinderte
Mamakindchen Benjamin Lebert umgibt. Vom Unterricht
über die freien Nachmittage bis zu den Partys: immer
bleibt Hans-Christian Schmid dicht am Puls seiner
überdurchschnittlichen bis guten jugendlichen
Schauspieler und läßt sie so reden, wie ihnen die
Schnauze gewachsen ist, während sich die Lovestory mit
Malen und die Freundschaft zwischen den Jungs nach und nach
bis zu ihrem versöhnlichen, künstlerisch etwas
aufgesetzten (der Marlboro-Nebel-See ist wieder da!) Ende
entwickelt. Neben Robert Stadlober tragen vor allem Tom
Schilling als "cleverer" Janosch, die leicht nervig
piepsstimmige Julia Hummer als unsichere Marie und Oona-Devi
Liebich als Objekt der Begierde Malen den größten
Teil zur Genießbarkeit der Story bei.
Leider
fehlt es etwas an einem roten Faden und einer großen,
den Film tragenden Idee, so daß Crazy vor allem
in den letzten zwei Dritteln trotz aller netten Szenen
ziemlich durchhängt und fast schon wie eine Collage
wirkt. Die Wegen-Geliebter-Zerstrittene-Eltern-Klischees und
die pseudoreflexiv-abgeklärten Kommentare Benjamins aus
dem Off tun ein Übriges, um Crazy im Vergleich
mit 23 und Nach Fünf im Urwald, den
früheren Filmen Hans-Christian Schmids, etwas schlechter
dastehen zu lassen. Dennoch ist dem jungen Regisseur ein
liebevolles und authentisches Porträt der heutigen
Jugend gelungen, das auf sympathische Weise vor allem den
jüngeren Zuschauern die eigene Pubertätszeit
schön in die Erinnerung zurückrufen wird und
einen, zwei oder drei Blicke allemal wert ist.
1/2 von 5 Sternen.
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