Kritik:
Die
Fremdsprachenkenntnisse, die Weltsicht, mithin der globale
Horizont einer Nation sind eine direkte Funktion ihrer
Größe und geographischen Lage, der Verbreitung
ihrer eigenen Sprache und der Antwort auf die Frage, ob im
nationalen Kino und Fernsehen eher synchronisiert,
untertitelt oder gleich ganz neu gemacht wird. So kommt es,
daß amerikanische Schüler, zu Besuch in der Alten
Welt, staunend vor Kühlschränken stehen, die sie
nie in dieser Ecke der Erde vermutet hätten, und sich
ernsthaft wundern, daß nicht alle Englisch mit Akzent,
sondern tatsächlich eine oder - Schock! - sogar mehrere
ganz und gar fremde Sprachen sprechen.
Was Wunder,
schallt es unter der Cineasten-Baskenmütze hervor, wenn
alles, was die Nordamerikaner von fremden Ländern, in
diesem Fall von der griechischen Insel Kephallonia, zu sehen
kriegen, Spanier, Italo- und Angloamerikaner und sogar
Engländer sind, die krampfhaft versuchen, ihre
wrigley-elastischen Münder so zu verformen wie Herr
Papadopoulos (der, dessen Gemüsewagen bei
Verfolgungsjagden in New York immer zerschmettert wird) nach einem
zweitägigen Schnellsprachkurs an der Volkshochschule von
Oshkosh im "Partystaat" Wisconsin. Es rucken die Lippen, es
schnalzen die Zungen und es rollen die Äuglein hilflos
im Schädel, aber am Ende wartet man bei jedem angeblich
fröhlichen Lacher Christian Bales doch nur darauf,
daß er Huey Lewis auflegt und seine Axt rausholt, bei
jeder platten Weltweisheit John Hurts nur darauf, daß
er zugibt, daß es vier Lichter sind, bei jedem "Heil
Puccini!" Nicolas Cages nur darauf, daß er im
Rippenunterhemd Deutsche verkloppt, und bei jeder
abgedroschenen Naziphrase David Morrisseys nur darauf,
daß er wenigstens einmal den zugehörigen "Vy du
yu not laik as, Itelian!?"-Klischeeakzent hinkriegt. Bei
Penélope Cruz dagegen wartet man auf nichts, da sie, keine
Oscar-Anwärterin, aber schauspielerisch auch keine
gänzliche Blindgängerin und sympathisch, selbst auf Urdu mit einem
senegalesischen Akzent noch genauso bezaubernd wie immer
wirken würde - der Salma Hayek-Effekt.
Auch der
einmaligen Kamerakoryphäe John Toll kann man selbst
dann nicht böse sein, wenn er Cages schmelzenden Blick
so kongenial-perfide in Szene setzt, daß der Zuschauer
entweder in Ohnmacht fällt oder sich ganz und gar
durchröntgt fühlt: zu schön sind die Insel
und ihre Bewohner, zu leuchtend sind die Farben, zu duftend
ist der Sommer und zu verlockend sind die Freuden der
griechischen Lebensart. Toll übertrifft sich Mal um Mal
selbst mit immer wundervolleren Bildern, behält
ständig den Überblick und erhält gekonnt-dezente
Unterstützung von Stephen Warbeck, dessen Filmmusik
fast ganz fern aller Sirtaki-Klischees nur dann spielt, wenn
sie wirklich nötig ist. John Madden schließlich,
seit Shakespeare in Love leidlich bekannt, sorgt
für ein meist angenehmes Tempo und gute Leistungen, und
fertig programmiert scheint der Erfolg.
Wären
da nur nicht, ohne Reihenfolge der Schlechtigkeit, die
Story, der Cage und die fürchterliche Klampfe. Fast
überstürzt handelt Madden die ersten dreißig
Minuten ab - in denen Penélope Cruz sich in den
schönen, aber eher einfältigen Fischer Mandras
verliebt (Christian Bale als Grieche ist ein Lehrbeispiel
für zwar mutiges, aber leider völlig
mißlungenes Casting; in ihm ist soviel von einem
simplen Fischer wie intakte Haut an einem von Patrick
Batemans Opfern), der dann in den Krieg eingezogen wird, aus
dem er mangels Lese- und Schreibfähigkeit aber keine
Briefe schicken kann, was Cruz zuerst wütend und dann traurig macht -, um sich dann umso länger der
(historisch korrekten) Besatzung Kephallonias durch die
Italiener zu widmen. Der Hauptmann und Opernliebhaber
Antonio Corelli (Nicolas Cage versagt unerklärlicherweise bei der Darstellung eines der ältesten Stereotypen der Welt, des Italieners zwischen Wein, Weib und Gesang, fast vollkommen), der mitten im Zweiten Weltkrieg
seine Männer danach aussucht, ob sie gut singen
können, bezieht Quartier im Haus, das Doktor Iannis
(John Hurt als resoluter Landarzt) und seine Tochter Pelagia (Penélope Cruz als energisch-emanzipierte angehende Ärztin) bewohnen,
genießt das müßige Inselleben und, es
kommt, wie's kommen muß, verliebt sich in Pelagia,
immer von Iannis' pseudoabgeklärten moralischen
Kommentaren begleitet, die gerade so klingen, als würde
der gute Doktor sein Einkommen als naseweise
Teilzeitbriefkastentante aufbessern.
Sich in
Penélope Cruz zu verlieben, stellt an sich ja noch
kein Verbrechen dar, wird durch Corellis titelgebende Laute
aber zu einer fortwährend verkitschteren und bald
unerträglichen Brühe aus Schmalz und Schicksal.
Gewandet in einen tiefsinnigen Künstlerpulli, klampft
der Hauptmann zuerst versonnen auf dem Instrument, um dann
schmachtend aufzublicken wie ein halbverhungerter Bildhauer,
der einen Kanten trocken Brot erblickt. Was romantisch sein
soll, ist so nur nervig, und Pelagia flieht, nur um sich
später doch noch, Areolae voraus, in Corellis Arme zu
werfen. Der Zuschauer schöpft wieder Hoffnung, da ein
liebender Capitano schwerlich gleichzeitig Musik machen
kann, und beginnt, mit den Liebenden die warme
Ausstrahlung Kephallonias zu genießen.
Indes,
immer wenn Captain Corelli's Mandolin halbwegs gut zu
werden verspricht, reißen John Madden und seine
Autoren das Ruder gewaltsam herum, diesmal in Form der
Deutschen, die beginnen, ihre mittlerweile kapituliert
habenden Ex-Alliierten zu drangsalieren, was in Verbindung
mit den Umtrieben des griechischen Maquis zu grausamen
Massakern an Italienern und Griechen führt. Tragische
Mißverständnisse, furchtbare Zufälle,
gewaltige Konfrontationen, verquere Casablanca-Ethik
und Fluten von Glyzerintränen wechseln in einem so
wirren Ringelpiez, daß am Ende nicht nur die Zuschauer
ganz tonlos (vor Ärger) sind, sondern sogar Corellis
Mandoline. Ohne Schrumpfgitarre kein Film, und so endet
Captain Corelli's Mandolin nach einem hektischen
Anfang und einem zwar kitschigen, aber dennoch halbwegs
netten Mittelteil in einem wirr gepflügten Feld aus
ungenießbarem Kraut und matschigen Rüben. Die
macht auch ein angepapptes Happy End aus dem Sonderangebot nicht
mehr frisch, und zurück bleibt nur eine tiefe Suhle Schmonzes. M-u-d-d-y p-u-d-d-l-e.
von
5 Sternen.
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