Kritik:
Auch wenn
Lothar-Günther Buchheim, der reizbare Autor von Das
Boot, mitunter über Wolfgang Petersens
Verfilmung polterte: Das Boot ist nicht nur
einer der besten Filme der Achtziger, sondern auch bis heute
der unbestrittene und an Spannung, Atmosphäre,
Realismus und Schauspielleistungen unerreichte Maßstab
für jeden weiteren U-Boot-Film. Mit diesem Film hat
Petersen sein Meisterwerk abgeliefert, das er bis heute
nicht toppen konnte - er scheint vielmehr immer weiter in
den Abgrund zu sinken.
Bis auf
Heiner Lauterbach und Götz George, die
glücklicherweise nicht an Bord sind, hat Petersen so
gut wie alle männlichen deutschen Schauspieler in sein
originalgetreues U-Boot-Modell gestopft und sie gezwungen,
so zu leben und zu agieren wie echte U-Boot-Fahrer: von
der gewollten Blässe über die buschigen Bärte
bis zur richtigen Art, durch ein Schott zu laufen, wurde den
Akteuren alles abverlangt, was dem Realismus diente.
Herausgekommen ist ein unglaublich akkurates Bild der
"Grauen Wölfe", das von der Wandlung milchgesichtiger
Matrosen zu müden Seebären (man vergleiche die
Bilder der Abfahrt mit denen der Ankunft) über die
richtige Art, Mützen zu tragen bis zu physikalisch
korrekten Schäden durch Wasserbomben alles
enthält, was auch den brummeligsten Kriegsveteranen
zufriedenstellt.
Auch
tricktechnisch hat Petersens Crew ganze Arbeit geleistet:
die Modelle explodieren glaubhaft im Atlantik, die
U-Boot-taucht-auf-Szenen zur durchgehend genialen Musik von
Klaus Doldinger sind schon heute legendär, und selbst
die "Not yet!"-Einstellungen auf der gischtumspülten
Brücke des Bootes verraten erst auf den zweiten Blick
ihre Herkunft aus dem Studiobecken. Dazu kommt die
engagierte Kamera des bekannten Jost Vacano (heute Paul
Verhoevens Kamerafaktotum), die immer dicht an den
Schauspielern bleibt, und fertig ist eine Atmosphäre
der Spannung und Klaustrophobie, die ihresgleichen sucht und
mit vielen Szenen lebhaft im Gedächtnis bleibt:
Prochnows Blick am Ende, der Panikanfall des Maschinisten,
die brennenden Überlebenden auf dem torpedierten
Schiff...
Zur
packenden Atmosphäre tragen ganz wesentlich die
exzellenten Schauspieler bei, die allesamt über sich
selbst hinauswachsen. Die seltsame Entscheidung, den
Sänger Herbert Grönemeyer als Buchheims alter ego
zu casten, rechtfertigt sich durch dessen intensives Spiel,
das freilich auf wenige Momente beschränkt bleibt -
meistens schaut Grönemeyer nur der Besatzung zu, die
mit Klaus "Fahnder" Wennemann einen fähigen
Ingenieur und mit Hubertus Bengsch und dem Alkoholiker
Martin Semmelrogge zwei Offiziere hat, die unterschiedlicher
nicht sein könnten. Auch Claude-Oliver Rudolph und
einige andere Besatzungsmitglieder kommen nicht zu kurz -
Das Boot gesteht jedem seiner Protagonisten eine
Menge Raum zu, was sich in den vielschichtigen, lebendigen
und komplexen Charakteren niederschlägt.
Am meisten Raum erhält natürlich der
Kapitänleutnant, von Jürgen Prochnow berauschend
gut gespielt. In seinem narbigen Gesicht spiegeln sich
glaubhaft die Schrecken des Krieges und die Bürde des
Kommandos, und die Szene, als er den vorher ausgeflippten
Maschinisten für seine Arbeit lobt, ist eine von
vielen, die lange in Erinnerung bleiben. Prochnow gibt
seinem Alten genau die richtige Mischung aus Autorität
und Kumpelhaftigkeit, die auf einem U-Boot, auf dem Dutzende
Männer für Monate zusammengepfercht waren, wohl
angemessen ist, und trägt so weiter zur
Wirklichkeitsnähe von Petersens Film bei.
Die wahre
Geschichte gibt eindrücklich wieder, wie wahnsinnig der Krieg war. Die Idiotie, fünfzig Menschen in
einer Blechzigarre - mit wenigen Zentimetern Metall zwischen
ihnen und dem nassen Tod - auf der Suche nach Konvois durch
den Atlantik gondeln zu lassen, der Besuch der wie
deplaziert wirkenden U-Boot-Fahrer in der anderen Welt von
Günter Lamprechts Schiff, der unerträgliche Dreck und die tödliche Langeweile an Bord, die nur von nervenaufreibenden Phasen der ASDIC-Angst unterbrochen wird, die Beschimpfungen der
aufgeblasenen Goldfasane durch Prochnow und die
Begrüßung durch eben einen der weltfremden Goldfasane
bei der Heimkehr machen deutlich, wie sehr der Irrsinn ein
ganzes Land erfaßt hatte. Daß selbst die
scheinbar glückliche Rückkehr nach einer
Fast-Versenkung nicht das Happy-End, sondern nur eine
Episode im endlosen Krieg ist, machen die letzten Szenen
etwas melodramatisch klar, und so verbleibt Das Boot
als ein wirklichkeitsgetreues, bewegend gespieltes und
erschütternd eindringliches Antikriegsdrama - daß
der Film aus Deutschland kommt und dennoch so eindeutig gegen den Krieg und seine Verursacher Stellung bezieht, ist noch ein zusätzlicher
Pluspunkt.
    von 5 Sternen.
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