Kritik:
Die Auflösung
und Entwertung althergebrachter sogenannter Tabus bringt es
mit sich, daß nur wenig den aufgeklärten
(mitteleuropäischen) Menschen von heute schrecken
kann (manche nennen das Dekadenz). Also war ich,
ständig auf der Suche nach
aufregend-revolutionärem Filmmaterial, umso
neugieriger, als mit Baise-moi ein Film
angekündigt wurde, der im eigentlich freizügigen
Frankreich für einen handfesten Skandal gesorgt hatte
und sogar fast verboten worden war. Flugs begab ich mich mit
mehreren mehr oder weniger unwilligen Freunden in das
örtliche Programmkino und wurde maßlos
enttäuscht.
Virginie
Despentes' Werk, das die Bezeichnung "Film"
höchstens in den Drogenträumen der Regisseurin
verdient hat, ist nämlich weder provokant noch
revolutionär, sondern nur ein fortwährendes
Ärgernis, das Ridley Scotts unerträglich
reaktionären Thelma & Louise locker an
plumpster feministischer Hetze übertrifft. Es
fängt schon mit der inakzeptablen Präsentation an,
die eine sterbenslangweilige, unfokussiert-konfuse Kamera
mit grauslicher Musik, lächerlichen Schnitten und
trashigen Schauplätzen verbindet. Dazu kommen die
miserablen Leistungen der Darsteller, wobei vor allem die
Hauptdarstellerinnen, beide nebenberufliche
Pornohäschen, negativ-emotionslos auffallen. Immerhin
ist Karen Bach, die größere der beiden, als
Verkörperung einer fast typisch aussehenden
französischen Frau noch einigermaßen nett
anzusehen.
Das hilft
zwar nicht über die unsägliche Story hinweg (in
der die zwei Heldinnen völlig unmotiviert (eine
anscheinend routinemäßige Vergewaltigung wird bei
einer der beiden als Grund vorgeschoben; und was ist mit der
Anderen?) auf eine haarsträubend unlogische, von billigsten Klischees durchsetzte, repetitive
und mit abstoßend schlechten
Subjekt-Prädikat-Objekt-Dialogen durchsetzte Mord- und (man kann es nicht anders sagen) Ficktour
durch das schöne Frankreich gehen), aber macht einige
der Sexszenen zumindest halbwegs erträglich. Als
Sexszenen kann man diese Stellen dabei eigentlich kaum noch
bezeichnen, da die Regisseurinnen Virginie Despentes und Coralie Trinh Thi
(auch eine Ex-Pornodarstellerin) kein Detail auslassen und
mit machtvoll erigierten Penissen und offenen Vaginen
versuchen, ihrem Film den Anschein einer Provokation zu
verleihen. Da solche Einstellungen in einschlägigen
Filmen (wer sagt, daß man in der Bundeswehr nichts
fürs Leben lernt?) aber nicht nur besser,
ästhetischer und professioneller gefilmt sind, sondern
auch, um dem Zielpublikum bestmöglich zu Diensten sein
zu können, weniger auf die männlichen als auf die
weiblichen Geschlechtsorgane fokussiert sind, versagt
Baise-moi auch als Porno auf ganzer Linie und
langweilt nur, statt in irgendeiner Form zu
erregen - einer realistischeren Darstellung menschlicher Sexualität in Filmen sind diese Szenen ihrer mangelhaften und uninspirierten Darstellung wegen nicht dienlich.
Schließlich,
nach zum Glück nicht mehr als 80 Minuten, ist der Film
zu Ende (die sich an der bösen Männerwelt - alle
Männer in diesem Film sind natürlich entweder
Vergewaltiger, Zuhälter, Kriminelle, Bordellbesucher
oder auf andere Weise moralisch korrupt - rächenden
Heldinnen kriegen - Moral muß sein - ihre Strafe, weil
sie die Konventionen der Gesellschaft angeblich gesprengt haben), und
der Zuschauer fühlt sich um 80 Minuten seines Lebens
betrogen. Denn bis auf eine tatsächlich originelle
Exekution eines Mannes am Ende gibt es in Baise-moi
nichts, was einen wie auch immer gearteten Skandal
rechtfertigen würde: die handwerkliche Umsetzung ist
mehr als mäßig, das Skript wartet nur mit (von
den Macherinnen überheblich als gesellschaftspolitische
Aussagen ausgegebenen) ziel-und planlosen Tötungen voller unecht aussehendem Kunstblut auf,
und die Pornoszenen sind keine. Der wahre Skandal ist,
daß solche miserablen Machwerke es immer noch schaffen, Aufmerksamkeit zu erregen.
1/2
von 5 Sternen.
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