Kritik:
Tim Burton, der
Mann, der uns gezeigt hat, daß in einer ihre Bewohner
zerdrückenden Stadt wie Gotham derjenige noch am normalsten
ist, der im Fledermauskostüm durch die Nacht gleitet;
William Broyles Jr., der trotz aller FedEx-erei in einem
halben Dixi-Häuschen Tom Hanks' Rettung fand; Philippe
Rousselot, der Isabelle Adjanis Schönheit in der
blutigen Nacht zum 24. August 1572 unvergeßlich gekonnt einfing; und
Danny "The Dark Elf"-man, der Meister unvergleichlich
eingängig-cleverer Melodien. Daß Planet of the
Apes trotz der wunderbaren Vorleistungen der genannten
Künstler nachgerade zu einem tosenden Untergang mit
fliegenden Fahnen wird, ist bisweilen so schwer zu fassen,
daß man sich vor Schmerz wild auf die Brust
hämmern und wie ein Brüllaffe röhren will.
Ausnahmsweise helfen hier muskulöse und intolerante
Nebensitzer, einen solchen Eklat zu vermeiden.
Allein, ob man die Leinwand anbrüllt oder nicht,
Planet of the Apes wendet und wendet sich nicht zum
Besseren, wird im Verlauf immer schlimmer und endet
schließlich mit einem halbherzigen Nicht-Showdown und
einer Pointe, die sich in den Rest des Films so fügt
wie Schwarzenegger in eine Hamlet-Verfilmung. Es ist zum
Verzweifeln, und wäre man der emotional sensibelste
Mann der Welt wie Brendan Fraser in Bedazzled, nichts hielte einen davon ab, endlose Ströme heißer
Tränen in den Kinoboden sickern zu lassen, auf
daß aus ihm Ranken wüchsen und den Blick auf
Burtons Bilder endlich versperrten.
Alles
fängt mit der leicht absurden, aber immerhin noch
halbwegs glaubhaften Vorstellung an, daß
genmanipulierte Affen in Zukunft Weltraumkapseln steuern
können. Der Schimpanse Pericles erweist sich als (einigermaßen)
fähig und wird von der Besatzung der Raumstation Oberon
ausgeschickt, um einen elektromagnetischen Sturm im All zu
erforschen. Als Pericles nicht zurückkehrt, begeht sein
Herrchen, Captain Leo Davidson, Befehlsverweigerung, stiehlt
eine der Kapseln und bricht in den Sturm auf, um seinen
"Freund" wiederzufinden, und trotz famoser Effekte,
schöner Sets und bombastischer Space-Opera-Musik
kullert schon hier, kaum zehn Minuten nach dem Verblassen
der Anfangscredits, auch aus dem Auge des unsensibelsten
Kritikers eine dicke Träne. Mark Wahlberg stapft, als
hätte es nie Boogie Nights gegeben, so
präpotent-maskengesichtig und mit so abgehackten
Bewegungen durch den Film, als gälte
es, zuerst in Unterhosen auf und nachher ohne Unterhosen
hinter der Bühne Marky Mark auferstehen zu lassen
wie einen fürchterlichen Schatten aus der
Vergangenheit. In keinem der dahingerotzten Sätze
erfahren wir, warum das Versuchstier Pericles Davidson offenbar so
wichtig ist, daß er, immerhin ein verdienter Captain,
vor den Augen seiner Vorgesetzten Befehlsverweigerung
begeht, warum Davidson im All arbeitet, was ihn mit den
anderen Charakteren verbindet, geschweige denn, was ihn
überhaupt bewegt und berührt.
Ehe sich
der Zuschauer jedoch länger mit solchen scheinbar als
zu gravitätisch empfundenen Gedanken herumschlagen
muß, verschlägt es den wackeren Captain in einer
lilastichigen Spezialeffektorgie in eine ferne Zukunft
(blödsinnigerweise durch die Systemuhr der Kapsel
angezeigt, als hätte diese einen eingebauten
Fluxkompensator) und auf einen fremden Planeten, auf dem er
so geschickt landet wie Luke Skywalker auf Dagobah. Indes,
hier wartet kein freundlicher Yoda, sondern eine Horde
überdimensionaler Affen, die Leo Davidson und weitere,
verwilderte Menschen brutal festnimmt, und obwohl Rousselots
Kamera manchmal arg unübersichtlich wackelt, scheint
Planet of the Apes hier zu seinem Element zu finden:
Rick Bakers Affenmasken gehen mit den inspirierten
Schauspielleistungen selbst der kleinsten
Schimpansen-Komparsen eine solch gelungene Verbindung ein,
daß man ein ums andere Mal nur beglückt staunen
kann. Die Menschen dagegen, und fast möchte man schon
Absicht vermuten, spielen so aufgesetzt, steif und
unnatürlich, daß man wie schon in The
Jackal den Eindruck bekommt, es eigentlich mit zwei
verschiedenen Filmen zu tun zu haben: Kris Kristofferson
nimmt man den heldenhaften Ötzi ebensowenig ab wie
Wahlberg die ungewollte Führungsrolle oder Estella
Warren, daß sie überhaupt einen Fuß vor
den anderen setzen kann, ohne hinzufallen.
Ach ja,
Estella Warren, das Model, das zum Film ging: wie gerne erinnert
sich der passionierte Kinogänger an Sternstunden wie
Charlize Therons ersten Auftritt in 2 Days in the
Valley, Imans lakonische Darstellung in Star Trek VI:
The Undiscovered Country oder Milla Jovovichs
"Multipass" in Luc Bessons ansonsten ärgerlichem The
Fifth Element. Estella Warren jedoch schafft es
mühelos, all diese schönen Erinnerungen sofort
vergessen zu machen und stattdessen Bilder von Claudia
Schiffers und Cindy Crawfords gruftdunklen Filmauftritten
ins Leben zu rufen wie wiedergängerische Zombies. In
fast zwei Stunden ändern sich weder der Ausdruck im
pausbäckigen Puppengesicht noch die Stellung der vollen
Lippen, die ständig ein lautloses "Ooooh, mein Nagel
ist abgebrochen" zu formen scheinen, und man fragt sich, ob
Estella Warren, statt zu atmen, einfach Luft in
sich hinein- und aus sich herausströmen läßt
wie ein Geißeltierchen, das Nahrung hinein- und
herausstrudelt, wann immer es lustig ist. Dazu kommt ein
Ich-Jane-Kostüm, das die einzigen Gründe, weshalb
selbst der Casting-Couch-feindlichste Produzent die
mondgesichtige Warren einstellen sollte, allzu züchtig
verhüllt, und fertig ist die überflüssigste
Kleiderständer-Nebenrolle seit den Tagen, als Affen und
Menschen eins waren.
Was ein
anderer Regisseur oder selbst ein besser aufgelegter Tim
Burton aus der Romanvorlage und dem Filmklassiker, in denen
es um Rassismus, Krieg und Vorurteile ging, hätten
machen können, wird im Ansatz deutlich, als Davidson
nach seiner Gefangennahme und Versklavung langsam erkennt,
daß Menschen und Affen auf diesem Planeten lange nicht
mehr eins sind: Paul Giamatti als meist gelungener
comic-relief-Sidekick verhökert Wahlberg und
Warren an die an gleichberechtigte Menschen und Affen
glaubende Ari, während der skrupellose General Thade
für seine Nichte ein blondes Menschenkind so zynisch ersteht
wie wir einen Goldhamster zu Weihnachten. Unbeschreiblich
ist die Freude, als der Zuschauer unter Aris Maske langsam
die wunderbare Helena Bonham Carter entdeckt, und noch
größer wird das Entzücken, als Ari bei einem
festlichen Dinner mit Senator Sandar (David Warner) und
Thade tatsächlich die mißliche Lage der
unterdrückten Menschen anspricht und behauptet, auch
diese hätten eine unsterbliche Seele.
Alle Freude und alles Entzücken weichen jedoch, als
Thade, von Tim Roth bemerkenswert präsent und intensiv
gegeben, in einer für den Film fast symptomatischen
Szene die Diskussion dadurch beendet, daß er Davidson herbeizerrt, seinen Rachen wie den eines
Gauls aufklappt und darin höhnisch nach einer Seele
sucht, um Davidson und die Behauptung schließlich so
brachial vom Tisch zu wischen, daß sich bis zum Ende
des Films keiner mehr von letzterer zu reden traut, ganz so,
als wären Gedankenansätze oder tiefsinnige
Bemerkungen völlig unanständig. So verschenkt Tim
Burton leichtfertig das ganze Potential seiner Geschichte,
bis selbst Charlton Hestons Kurzauftritt und seine
Schußwaffenkritik (!) wirkungslos verpuffen und der
Zuschauer sich fragt, wann der obszönen
Talentverschwendung endlich Einhalt geboten wird.
Leider nie.
Mit der Hilfe Aris und ihres Adjutanten Krull (Cary-Hiroyuki
Tagawa als äffisch-klischeehafter Obi-Wan) können Davidson und
sein Gefolge entkommen und sich in der natürlich
völlig unbewachten heiligsten aller heiligen
Stätten der Affen verschanzen, in der die Kraft von
Duracell ebenso eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird wie
das Loch in William Broyles Juniors Kopf. Auch die spannende
Action, Philippe Rousselots packende Bilder, Danny Elfmans
fesselnde Musik und Helena Bonham Carters
sympathisch-liebevolle, Tim Roths kraftvolle und Michael
Clarke Duncans wuchtige
Darstellung als Colonel Attar, Thades rechte Hand, können nicht verhindern,
daß sich das Publikum spätestens dann entsetzt an
den Kopf faßt, wenn ein deus ex machina eine
verfahrene Situation dadurch "löst", daß er
überall Löcher im Plot klaffen läßt,
die häßlichen Mäulern gleich jeden Rest von
Logik verschlingen, um im endgültig
haarsträubenden Finale zu gipfeln. Daß die
Schlußpointe die des alten Films um jeden Preis
übertrumpfen will und dabei doch nur zu einer
lächerlichen Farce gerät, ist da nur folgerichtig.
Vielleicht hätte Brüllen ja doch
geholfen.
 von
5 Sternen.
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