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American Psycho

-- So eine goldene Visitenkarte brauche ich auch --

Szene aus American Psycho

Info über American Psycho (USA 2000)

Regie: Mary Harron

Darsteller: Christian Bale, Willem Dafoe, Jared Leto, Reese Witherspoon, Chloë Sevigny, Samantha Mathis

Inhalt: Das Mordgeständnis eines fühllosen New Yorker Yuppies in den Achtzigern.

Kritik: Wie schön es ist, nach Monaten der Plackerei (Mensa-Essen runterwürgen, Kommilitoninnen becircen, Papierflieger basteln...) endlich in den mehr oder weniger wohlverdienten Urlaub zu fahren, muß ich keinem Deutschen - Mitglied des reisefreudigsten Volkes der Welt - erzählen. Neben schönem Wetter, schönen Einheimischen und schönen Kulturgütern bestechen viele fremde Länder auch durch formschöne Multiplexe, in denen Tag und Nacht - wem auch immer sei ewiger Dank - statt grotesker Synchronisationen angenehm untertitelte Originalversionen der neuesten Filme laufen, oft Monate vor dem deutschen Start. Um meine Milliarden Leser in aller Welt also auch in der Ferne nicht zu vernachlässigen, begab ich mich in die Mary Harron-Verfilmung des kontroversen Bret Easton Ellis-Romans "American Psycho".

In einem grau-gotischen, von unmenschlich hohen Hochhäusern, abgrundtiefen Häuserschluchten und lächerlich überdimensionalen Mobiltelefonen erfüllten 1987-New York lebt der Wall-Street-Yuppie Patrick Bateman sein eintöniges Arbeitsleben. Nachts tötet er ohne Grund Menschen.
In Mary Harrons Film sind es nicht allein die erstaunlich stark der eigenen Phantasie überlassenen Mord- und Folterszenen, die den Wahnsinn des Hauptdarstellers verdeutlichen, sondern vor allem die scheinbar banale, aber minutiös herausgearbeitete Beschreibung von Batemans Alltag: seine tägliche Beauty-Prozedur mit Masken, Peelings und Lotionen, der eines weiblichen Models in nichts nachstehend, wird so hygienisch akkurat vorgestellt, daß der Zuschauer sich einerseits ganz ungewaschen vorkommt und andererseits über den völlig übertriebenen kosmetischen Aufwand ganz erschrocken ist. Auch Batemans Arbeitsplatz, an dem allein die Preise der Anzüge, die Größe der Apartments und die Machart der Visitenkarten zählen, schreckt durch seine Realitätstreue ab, statt durch die durchaus humorige Darstellung heimelig zu wirken. Die ernstgemeint tiefgehende Interpretation seichtesten Mainstream-Pops ("It's hip to be square" ) zusammen mit der Vorliebe für Hardcore-Pornos und Horrorfilme ("I have to return some videotapes") schließlich macht auf bezaubernd einfache Weise deutlich, wie sehr Bateman im sinnentleerten städtischen Dasein nach einer Orientierung sucht.

Unfähig, etwas anderes als Gier zu empfinden, treibt Patrick durch nur der gegenseitigen Prahlerei dienende Meetings und durch die Treffen mit seiner Verlobten, der er mit demselben Desinteresse begegnet wie allen anderen ungebildeten ("Who is Ted Bundy?", "He was spinning a menorah"...) Mitmenschen, die ihn - und das ist einer der ganz wichtigen Punkte in American Psycho - auch noch ständig verwechseln.
Dabei ist Christian Bale mit seinem hüpfenden Adamsapfel - dem Äquivalent zu Neve "Knöpfe zu" Campbells zitternder Unterlippe - durchaus gut als desillusioniert-unterkühlter Yuppie zu erkennen. Schauspielerische Unterstützung erhält er von Willem Dafoe als pflichtbewußtem Detektiv und den immer guten Schönheiten Chloë Sevigny und Reese Witherspoon, die in poshigen Dekors zur gelungenen Kamera und dem schönen Eighties-Soundtrack ihr Bestes geben. Auch Jared Leto zeigt, was er kann: nach der entstellenden Tracht Prügel in Fight Club wird er hier in Batemans Bestreben, etwas Aufsehenerregendes zu tun, mit einer Axt zerstückelt.

Wenig aufsehenerregend sind Patricks traurig-perverse sexuelle Abenteuer, in Wahrheit narzißtisch selbstbespiegelnde Quasi-Onanien; und so bleibt nur die Sinnsuche im mehrfachen Mord, einem - vor allem am Ende wird das erschreckend lakonisch deutlich gemacht - vergeblichen Schrei nach Aufmerksamkeit. Denn da Bateman selbst zu keinen Gefühlen fähig ist, und da die Außenwelt indifferent bleibt, kann sich nichts ändern, und so bleiben Patrick und der Zuschauer, dem unmenschlichen Gesicht der modernen Welt ansichtig, zerschlagen zurück.
Daß Mary Harron mit wenig Geld und ohne unnötige Splatter- und Schockeffekte einen so tiefen und erschütternden Einblick in die neuzeitliche Gesellschaft ermöglicht, spricht für die kontroverse Kraft dieses Films, der einen Kinobesuch auch in Deutschland auf jeden Fall lohnt.

****von 5 Sternen.

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