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Almost Famous

-- Let's roll! --

Szene aus Almost Famous

Info über Almost Famous (USA 2000)

Regie: Cameron Crowe

Darsteller: Patrick Fugit, Kate Hudson, Frances McDormand, Billy Crudup, Philip Seymour Hoffman, Jason Lee

Inhalt: Der hochbegabte William Miller darf im Auftrag des Rolling Stone die Band Stillwater auf ihrer Konzertreise begleiten.

Kritik: Ein Kinobesuch fängt, schmerzliche Erfahrung lehrt das auch den begriffsstutzigsten Kritikerwüstling, schon Minuten, bevor das erste Licht des Projektors das Zelluloid durchstrahlt, richtig an. Mit Armageddon nicht unter zwei Monaten nonstop seien alle Multiplex-Architekten bestraft, die Säle bauen, in denen man zuerst einen Gang mit Blick zur Leinwand beschreiten muß, um dann erst mit einem beherzt-unfallträchtigen Schlenker der ansteigenden Reihen und ihrer feixenden Be-Sitzer ansichtig zu werden. Wie umkehren und der mobiltelefonierenden und Burritos mampfenden Spaßgeneration den Rücken kehren, ohne die eigene Kingsize-Packung Popcorn auf der Treppe zu verschütten und mit dem ungeduldig hinterherdrängenden Preisboxer frontal zusammenzustoßen?
Was für ein Glück also, wenn beim Besuch von Almost Famous nicht nur der Saaleingang einen Blick auf die versammelte, sympathisch-gesittete Generation Golf-alte Zuschauerschaft bietet, sondern auch die Cola heil bleibt, und das, obwohl man eiligst zu seinem Platz schleichen muß, um den zufällig anwesenden Ex-Gymnasiallehrerinnen und einem kopfnickenden "Mei, was studieren Sie denn?"-Gespräch zu entgehen.

Nach dem Film ist fast schon vor dem Film, denn wenn man, nachdem der letzte Ton verklungen ist, ernsthaft mit dem Gedanken spielt, sitzenzubleiben, um Alvin und die Chipmunks nochmal von Weihnachten singen zu hören, "Penny Lane" nochmal durch die postkonzertale Musikhalle tanzen zu sehen und den Tourbus "Doris" nochmal in den Sonnenuntergang fahren zu sehen, weiß man, daß die angestrebte kritische Objektivität mal wieder verloren gegangen und man unversehens einmal mehr zum Fan geworden ist. Cameron Crowe, der hier Teile seines Lebens aufs Bezauberndste verfilmt hat, müßte nach Almost Famous schon "Godzilla vs. Mitch Bucannon" drehen, um den gewonnenen Kredit wieder zu verspielen, und die Schauspieler, allen voran die wunderbar sonnige Kate Hudson, seltsamerweise die Tochter der berufsjugendlich-nervigen Liftingqueen Goldie Hawn, dürften nur noch nach Luft schnappende Karpfen in Kevin Costners erneutem Comebackversuch "Waterworld II or: How I Learned to Stop Worrying and Love Distillated Urine" geben.

Auch Spätgeborene nämlich, die mit Namen wie Led Zeppelin und Bob Dylan höchstens Luftschiffe und Tauben im Sand verbinden können, werden ihre helle Freude an den blendend aufgelegten Akteuren haben, die in den glaubhaften, aber nicht allzu aufwendigen Kulissen zu John Tolls schönen Bildern und launiger zeitgenössischer Musik eine coming-of-age-Story und eine humorvoll-ungewöhnliche Dreiecksgeschichte derart charmant und liebevoll zum Leben erwecken, daß die zwei Stunden wie im (leider teilweise etwas zu offensichtlich CGI-animierten) Flugzeugflug verfliegen. Schon die Nebendarstellerliste liest sich wie ein kleines cineastisches Who-is-Who: Terry Chen ist als berühmter, wirklich existierender Rolling Stone-Redakteur Ben Fong-Torres so hartnäckig-energisch wie Anna Paquin als "It's all happening"-"Polexia" kokett-verwöhnt, Fairuza Balk und Zooey Deschanel, die tatsächlich die Tochter des The Patriot-Kameramannes Caleb Deschanel ist, sorgen als abgeklärte "Sapphire" und als rebellische Tochter für nachdenkliche Momente, Philip Seymour Hoffman ist in jeder seiner viel zu seltenen Szenen ein noch größerer Genuß als sonst, und was die als Komödiantin sträflich unterschätzte Frances McDormand aus ihrer Rolle als überfürsorglich-patente Mutter macht, muß man auch diesmal selbst gesehen haben.

Mit solcher schauspielerischer Begleitung wäre wahrscheinlich selbst Steven Seagal ein zweiter Gesichtsausdruck gelungen, aber was der bisher unbekannte Patrick Fugit, die früher nicht in Erscheinung getretene Kate Hudson und der bis dato übersehene Billy Crudup aus ihren jeweiligen Rollen machen, läßt nicht nur Almost Famous zu einem erinnerungswürdigen Film werden, sondern verheißt auch Gutes für die Zukunft dieser jungen Schauspieler: Patrick Fugit als pilzköpfig-vernünftiges alter ego Crowes, das den Niedergang und die Kommerzialisierung des Rock'n'Roll anhand der persönlichen Eitelkeiten und Rivalitäten innerhalb Stillwaters beobachtet, harmoniert treffend mit Billy Crudup als seinem talentiert-selbstvergessenen musikalischen Idol Russell, und beider Beziehung zur nur äußerlich abgeklärt-professionellen Muse "Penny Lane" ist eine einzige Folge szenischer und schauspielerischer Highlights, angefangen von "Pennys" und Russells erster Begegnung über ihre rituelle Balz in der Hotelsuite bis zu Williams Rettung der alkoholisierten "Penny" aus Morpheus' trügerischer Umarmung.

Damit nicht genug, steckt Almost Famous auch noch voller sanft schmunzelndem, nie böswilligem Humor, skurrilen Dialogen ("You are not cool"...) und wehmütigen, poetischen Bildern (William entdeckt die Plattensammlung seiner Schwester, die lebende Legende Lester Bangs schwelgt im Plattenregal eines Radiosenders, Russell schnüffelt nach einer durchzechten Drogennacht an einer Blume...), die die gelegentlich etwas provoziert-künstlich wirkenden Konfliktsituationen (Das T-Shirt! Der Sturm!) und die stellenweise schlampigen Anachronismen sogleich vergessen machen. Und so bleibt am Ende, wenn alles Licht durch das Zelluloid gefallen, alle Töne verklungen und alle Tacoesser gegangen sind, nur noch das Lächeln zurück, das kam, als Frances McDormand Simon & Garfunkels hemmungslosen Drogenkonsum aufdeckte. Ein seltenes Vergnügen an Tagen, an denen die, die nie die Musik beherrschten, sie beherrschen.

****von 5 Sternen.

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