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American Beauty

-- Achtung, ein Ami! --

Szene aus American Beauty

Info über American Beauty (USA 1999)

Regie: Sam Mendes

Darsteller: Kevin Spacey, Annette Bening, Thora Birch, Wes Bentley, Mena Suvari, Chris Cooper

Inhalt: Ein Vorstadt-Familienvater versucht, seinem drögen Leben neue Frische einzuhauchen. Aber es ist schon zu spät.

Kritik: Es wird Tag im Wald. Frühnebel steigt langsam über dem ünberührt blauen See auf, in dem sich die Wipfel der stolzen Bäume spiegeln. Friedlich weidet ein Reh am Ufer. Ein Mann tränkt sein Pferd, und die Musik spielt eine seltsam vertraute, liebliche Weise. Es ist das schönste Bild, das ich jemals gesehen habe. Ich spüre das unbeherrschbare Verlangen, mir eine rote Packung Zigaretten zu kaufen.

Aber ich kann nicht: nach der Werbung fängt endlich der Film an. Eine typische amerikanische Reihenhaus-Vorstadt, aus Hunderten von Filmen so bekannt wie der eigene Weg zum Bäcker - Suburbia, die blitzsauber-verquere Erfüllung und gleichzeitige Enttäuschung des American Dream. Kevin Spacey ist der frustrierte Angestellte Lester Burnham mit einer umtriebig-frostigen Annette Bening als Ehefrau und einer aufmüpfigen Thora Birch als Tochter. Immer mehr geht ihm die Sinnleere seines Daseins auf, ohne daß er etwas dagegen tun könnte. Spacey, bisher eher für Bösewicht-Rollen bekannt, gibt diesen ausgebrannten Mann mit so einer detailvollen Hingabe und einzigartigen Leidenschaft, daß man nur mit ihm lachen und staunen kann. Kongenial harmoniert er mit der ebenfalls exzellenten, manchmal aber etwas nervig-unecht heulenden Annette Bening und der wunderbar melancholisch-verträumten Thora Birch als hohle, moralisch entleerte, an fehlenden internen Vorbildern leidende Familie mit glücklicher Fassade, in der die schönen Rosen (Sorte: American Beauty) und das Sofa wichtiger sind als die Beziehungen untereinander.

Aber alles ändert sich, als Lester bei einem Basketballspiel Angela Hayes, die Freundin seiner Tochter, kennenlernt. Sie ist das Produkt all der psychisch-erzieherischen, von der modernen Konsumgesellschaft und den zerfallenden sozialen Strukturen ausgelösten gesellschaflichen Verwerfungen - lolitaesk schön, aber vulgär, gnadenlos eitel und selbstbezogen, nach außen obszön, vorlaut und unsensibel, in Wahrheit aber von dauernden Selbstzweifeln und Unsicherheiten geplagt, nach außen poliert und schillernd, im Inneren aber bereits verfault. Sie wird boshaft-giftig-lasziv von der jungen Mena Suvari dargestellt und wird so mit ihrer leicht vulgären Aura, den großen Augen und dem wie bereits in der Kritik zu American Pie (auch ein symptomatischer Titel) besprochenen irritierend uneuropäischen Aussehen zur idealen Verkörperung einer American Beauty.

Lester also erpreßt sich von seinem Boß fast so cool wie Edward Norton in Fight Club eine dicke Abfindung, trainiert etwas und kauft sich den Sportwagen seiner Träume, während seine Frau ob seines absonderlichen Verhaltens Schutz bei einem anderen Mann sucht und seine Tochter sich in den Video-Freak von nebenan verliebt. Dieser verträumte Ästhet wird von Wes Bentley ebenso einfühlsam und nuancenreich dargestellt wie sein Schwule und sich selbst hassender Ex-Marine-Colonel-Vater von Chris Cooper. Dessen brutale und völlig humorlose, tumbe Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Ausstrahlung erinnerte mich, ich kann nichts dafür, natürlich wieder an einschlägige Gestalten beim größten nationalen ABM-Dienstleister, der Bundeswehr - ein Beleg für die Güte der Darstellung.
Der Junge verkauft Lester auf dem späten Trip zurück in seine Jugend etwas Hasch und zeigt seiner Tochter die Schönheit der zufälligen Bewegungen eines Plastikbeutels im Wind - auch ein Symbol für American Beauty, von der immer passenden, hervorragenden Musik auch diesmal wieder prima untermalt und von der auf lange, aber nie langweilige Einstellungen und große Charakteraufnahmen vertrauenden Kamera stimmungsvoll präsentiert.

Aber es kann nur, es muß ja schiefgehen: die Fassade der heilen Welt hält den Druck, der hinter ihr herrscht - ausgelöst durch Lesters Rebellion - nicht mehr aus und geht in einem mächtigen Feuerwerk in Flammen auf. Zurück bleiben nur Fragmente und Tränen, und man ist wieder einmal froh, nicht im nach außen strahlenden, aber innerlich degeneriert-mutierten Amerika zu leben, sondern in unserem reinen Europa, dem Hort der Kultur, Ehrlichkeit und Offenheit. Andererseits aber ist viel Licht dort, wo viel Schatten ist - der Januskopf der American Beauty.

****1/2 von 5 Sternen.

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